Strafprozess wegen Majestätsbeleidigung

In Frankreich laufen gerade mehrere Prozesse gegen politische Aktivisten, deren „Verbrechen“ darin bestand, das Konterfei des französischen Präsidenten in ihren Rathäusern abzuhängen.

Beim Bild des Monarchen hört in Frankreich der Spass auf - unglaublich! Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es ist einer dieser Anachronismen, anhand derer man erkennt, dass das Konzept „Macht“ in Frankreich immer noch ziemlich feudal ausgeübt wird. In Frankreich hat der Präsident, vor allem aber Emmanuel Macron, den Status eines Königs, der über seine Untertanen herrscht, wie es ihm beliebt. Und wehe, die Untertanen werden aufmüpfig und äußern ihren Unmut. Oder schlimmer noch, sie wagen es, das Bild des Präsidenten im Rathaus von der Wand abzuhängen. Dafür standen in Straßburg gestern drei Aktivisten gegen die Ostumfahrungs-Autobahn „GCO“ vor Gericht.

Michael, Lucile und Sylvain haben das Bild des Präsidenten abgehängt. Das war schon alles. Sie haben es weder bespuckt, noch verbrannt, noch ein Hitler-Bärtchen angemalt oder drauf uriniert. Sie haben es schlicht von der Wand genommen. So what?, wäre man geneigt zu sagen. Das wäre auch in Deutschland schon die einzige strafrechtliche Konsequenz in einem solchen Fall. Denn es gibt zwar im Strafgesetzbuch den Uralt-Paragraphen 90 („Verunglimpfung des Staatsoberhaupts“), der ein Relikt des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Paragraphen der „Majestätsbeleidigung“ darstellt, doch ist dieser seit Verkündung des Grundgesetzes ganze fünf Mal zum Tragen gekommen. Paragraph 90 ist in der Praxis also Vernachlässigbar und Juristen betrachten ihn als praktisch nicht existent. Auch, wenn dieser Straftatbestand Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen kann. Diese unglaublich hohe Strafe veranlasste den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, eine Anzeige gegen einen Blogger zurückzuziehen, der Wulff mit seiner Frau in einer sehr unvorteilhaften Pose zeigte. Als Wulff erfuhr, mit was für einer Strafe dieser Blogger rechnen musste, zog er seine Klage zurück.

Aber Deutschland ist nicht Frankreich und speziell Emmanuel Macron, der von sich selbst glaubt, dank einer göttlichen Fügung an die Spitze seines Landes gekommen zu sein, reagiert sehr ungehalten auf alles, was seinen Status als „Sonnengott 2.0“ in Frage stellen könnte.

Aber wieso hatten die drei Straftäter überhaupt das offizielle Macron-Photo im Rathaus abgehängt. Der Grund war einfach: Trotz verschiedener Gerichtsurteile, die einen Stopp für die Baumfällarbeiten für die neue Umfahrungsautobahn GCO verhängt hatten, wurden die Arbeiten auf Befehl des Präfekten, der ja nichts anderes als der Statthalter der Pariser Zentralregierung in den Regionen ist, einfach weitergeführt. Im Örtchen Kolbsheim, wo sich der Widerstand gegen dieses Projekt konzentriert, dass am Ende das ganze nördliche Elsass zubetonieren wird, waren die Menschen ob dieser Ignoranz gegenüber Bürgerprotesten und Gerichtsurteilen verständlicherweise sehr aufgebracht. Auch Polizeieinsätze, bei denen Greisinnen mit Tränengas eingenebelt wurden, verbesserten die Stimmung nicht. In dieser Situation hängten also die drei Straftäter das Bild des Präsidenten ab, als Ausdruck ihres Protestes dagegen, dass die demokratischen Mittel gegen dieses Projekt seitens des Staats einfach ignoriert worden waren.

Und immer noch – so what? Hat Frankreich gerade tatsächlich keine anderen Sorgen als Strafprozesse wegen einer solchen Nichtigkeit zu organisieren? Wer sich selbst zu ernst nimmt, macht sich am Ende lächerlich und darauf steuert der selbsternannte „Jupiter“ gerade hin.

Während in praktisch allen modernen Demokratien das Staatsoberhaupt ein „Primus inter pares“ ist, herrscht in Frankreich eine Art absolutistischer Monarch in einer Präsidialdemokratie. Da klingt es fast ein wenig seltsam, wenn Macron das türkische System kritisiert. Mit Schauprozessen wie diesem wegen „Majestätsbeleidigung“ wird der französische Präsident die Herzen seiner Landsleute aber wohl kaum wieder für sich gewinnen können. Aber es gab ein versöhnliches Ende – die drei Angeklagten wurden freigesprochen. Aber nachdenklich macht dieses Verfahren trotzdem.

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