Deutschland, einig Vaterland?

Der deutsche Nationalfeiertag, der 3. Oktober, hat den „Tag der deutschen Einheit“ als Feiertag abgelöst. Aber kann man wirklich von einer „deutschen Einheit“ sprechen?

Vor 28 Jahren träumten alle, auch Helmut Kohl, von "blühenden Landschaften"... Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1003-010 / Grimm Peer, CC-BY-SA 3.0 / Wikimedia Commons

(KL) – 28 Jahre ist es her, dass der Bundestag im Wasserwerk zu Bonn für die Aufnahme der Länder der DDR in die Bundesrepublik Deutschland stimmte. Damit hörte die DDR auf zu existieren und Deutschland war vereint. Deutschland strahlte. Endlich! Mit Tränen in den Augen ließen wir uns von dem Gefühl übermannen, dass wir nun wieder mit unseren Brüdern und Schwestern vereint sind. Bis wir merkten, dass die gar nicht unsere Brüder und Schwestern waren.

Klar, wir sprechen, mehr oder weniger, die gleiche Sprache. Doch hören damit die deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten nicht auch schon wieder auf? Uns „Wessis“ sind doch unsere französischen, englischen, amerikanischen oder spanischen Freunde näher als unsere Brüder und Schwestern aus dem Osten. Nicht, weil wir die „Ossis“ nicht mögen würden, wir kennen sie einfach nicht. Und wenn man ehrlich ist und die Bilder grölender Neonazis aus Chemnitz oder die geifernden Sachsen auf ihren Pegida-Demonstrationen in Leipzig sieht, dann will man die eigentlich auch gar nicht so richtig kennenlernen.

Schuld am deutsch-deutschen Unverständnis ist, na klar, die Politik. In 28 Jahren hat sie es nicht geschafft, die beiden früheren deutschen Staaten auf ein halbwegs angeglichenes Niveau zu bringen und so schwer es dem einen oder anderen auch fallen mag, so muss man eingestehen, dass Oskar Lafontaine damals Recht hatte, als er auch eine schrittweise Zusammenführung der beiden Staaten drängte, auf einen 5-Jahres-Plan, in dessen Rahmen die gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung geplant werden sollte. Der Vorschlag sah auch vor, dass die DDR in einer ersten Phase noch ihre Ost-Mark behalten solle, bis ein richtiges Integrationskonzept vorläge. Dafür wurde er als Vaterlandsverräter beschimpft und die Treuhand machte genau das, wovor Lafontaine gewarnt hatte: Sie verramschte das Tafelsilber der DDR an „Wessis“, sie erlaubte den alten Seilschaften, sich beim 1:2-Umrubeln von Ost- in D-Mark eine goldene Nase zu verdienen und sorgte damit dafür, dass erstmal wenig investiert, dafür aber viel (legal) geplündert wurde. Unter anderem auch das Selbstverständnis der Menschen in der ehemaligen DDR.

Dadurch, dass der Osten Deutschlands erst zur „Plünderung“ durch West-Unternehmer preisgegeben, und dann einer heftigen sozialen Krise ausgesetzt wurde, ist der Graben zwischen Ost und West noch tiefer geworden. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Aufbau Ost unvermindert weitergeht, dass die sozialen Unterschiede zwischen Ost und West nivelliert werden und dass der Osten sein Rechtsextremismus-Problem in den Griff bekommt.

Aber – bis es zu den „blühenden Landschaften“ im Osten Deutschlands kommt, wird wohl noch eine Generation ins Land gehen. Oder zwei.

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