Wird die SPD die neue FDP?

In den aktuellen Umfragen sinkt die SPD auf 13 % in Baden-Württemberg. Und liegt damit gleichauf mit der AfD. Beunruhigend.

Angesichts der sich bietenden Alternativen hat Baden-Württemberg die Qual der Wahl... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Der aktuelle ARD-Deutschlandtrend überrascht. Denn in Baden-Württemberg zeichnet sich für die Landtagswahl am 13. März ein politisches Erdbeben ab. Es wird spannender, als das noch vor einem guten halben Jahr zu erwarten war. Wir haben einmal geschaut, wie sich die Umfragen seit August 2015 in Baden-Württemberg entwickelt haben, seit dem Zeitpunkt, als Angela Merkel ihre mutige und humanistische Entscheidung traf, die Grenzen für Flüchtlinge aus Kriegs- und Terrorgebieten zu öffnen. Seitdem ist nämlich die politische Landschaft ganz schön in Bewegung gekommen. Die beiden Hauptleidtragenden sind die beiden früheren Volksparteien CDU und SPD. Die Gewinner hingegen sind die Grünen und die AfD.

Mitte August sah es noch so aus, als sollten die Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg eine ziemlich langweilige Angelegenheit werden. Am 12.8.2015 ergab die „Sonntagsfrage“ des Instituts Allensbach folgendes Bild: CDU 40,5 %, SPD 20 %, Grüne 24 %, FDP 4,5 %, Die Linke 4,0 %, AFD 3,0 %. Nach dieser Umfrage hätten es weder Die Linke, noch AFD und FDP in den neuen Landtag geschafft und aufgrund der Kräfteverhältnisse wären als Koalitionen sowohl die Fortführung der grün-roten Koalition, als auch eine „Große Koalition“ CDU-SPD und natürlich eine schwarz-grüne Koalition denkbar gewesen. Doch damit ist es nun vorbei.

Denn inzwischen sehen die Umfragen so aus: CDU 28 %, SPD 13,0 %, Grüne 32,0 %, FDP 8,0 %, Die Linke 4,0 % und AFD 13 %. Diese Entwicklung in etwas mehr als einem halben Jahr (CDU -12,5 %, SPD -7,0 %, Grüne +8,5 %, FDP +3,5 %, Die Linke +/-0,0 % und AFD +10,0 %) sagt sehr viel über die politische Stimmung im Ländle aus.

Zunächst wird klar, dass die Landtagswahl 2016 entlang der Frage der Flüchtlinge entschieden wird, auch, wenn sich die „traditionellen“ Parteien große Mühe geben, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es bei einer Landtagswahl um regionale Themen wie Bildungspolitik, Infrastruktur und Wirtschaftsentwicklung geht. In der Auffassung der Wählerinnen und Wähler geht es aber in allererster Linie um das Thema, das seit mehr als einem Jahr jede Nachrichtensendung und jede Titelseite der Printmedien beherrscht – die Flüchtlingsfrage. Und die Wähler interessiert nur am Rande, welche Prioritäten die traditionellen Parteien setzen.

Diese treibt der rechtsextremen AfD die Wähler in die Arme, die vor allem aus dem Lager der rechten CDU-Wähler kommen (das ist die Crux einer „Mitte-Rechts-Partei – sie hat einen rechten Rand, der nun in Richtung AfD wegbröckelt). Angesichts des Rückenwinds der Rechtsextremen hat auch eine Gegenbewegung eingesetzt, von der einerseits die Grünen, andererseits aber auch die FDP profitieren – wobei die Liberalen als mögliches „Regulativ“ betrachtet werden. Und, typisch Baden-Württemberg, angesichts der mathematischen Wahrscheinlichkeit, dass es nur zu einer schwarz-grünen oder grün-schwarzen Regierung kommen kann, scheinen die Menschen in Baden-Württemberg eher dem „schwärzesten aller Grünen“ Winfried Kretschmann die Führung des Landes zuzutrauen als dem charismafreien Spitzenkandidaten der CDU, Guido Wolf.

Bemerkenswert ist, dass die SPD wahrscheinlich sogar noch hinter der AfD landen wird. Mit nur noch 13% sollte man jetzt bei der SPD aufpassen, dass die Partei nicht das gleiche Schicksal ereilt wie vor einigen Jahren die FDP. Dass nun die AFD praktisch ohne Programm, aber mit permanenten Appellen an die Ängste der Menschen mit der SPD gleichauf liegt und diese, glaubt man den Trends, sogar überholen wird, stimmt nachdenklich. Der rechtsextreme Populismus hat Hochkonjunktur und die „politische Vernunft“ gerät ins Hintertreffen.

Immerhin, alle demokratischen Parteien sind sich einig, keinesfalls mit der AFD zusammenarbeiten zu wollen und man darf davon ausgehen, dass sich die Parteien unabhängig vom Wahlergebnis auch an diese Aussage halten werden.

Und so sieht alles danach aus, als würde das Land auf eine Grüne-CDU- oder CDU-Grüne-Regierung hinsteuern. Daran bastelt Winfried Kretschmann auch schon seit geraumer Zeit, allerdings muss er nach dem aktuellen Beck-Skandal darum fürchten, dass ihm noch einige Wähler wegbrechen, was wiederum Guido Wolf nach vorne spülen könnte.

Und so ist eine Situation entstanden, in der aus einer als „langweilig“ angekündigten Wahl eine ganz spannende Geschichte wird. Dabei ist nicht nur die Frage interessant, ob der neue Ministerpräsident Wolf oder Kretschmann heißt, sondern auch, wie hoch der Prozentsatz derjenigen ist, die am Ende doch im Netz der rechten Populisten hängen bleiben.

Die letzten 9 Tage bis zur Wahl werden den Unterschied machen – jeder Zwischenfall, jeder Skandal, jeder ungeschickte Aussage kann in dieser kurzen Zeit die Prozentbruchteile ausmachen, die am Ende den Ausschlag geben. Selten war die Spannung in den Parteizentralen grösser, selten war der Ausgang einer Landtagswahl in Baden-Württemberg unsicherer. Nur eines steht bereits heute fest – es lohnt sich zur Wahl zu gehen. Wer dies nämlich versäumt, verwirkt damit auch das Recht, sich hinterher über das Ergebnis zu beschweren…

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