Die „Fête de la Musique“ soll doch stattfinden!

Verstehe noch einer den französischen Kulturminister Franck Riester – nach der Absage aller Frühsommer-Festivals will er jetzt am 21. Juni die „Fête de la Musique“ durchziehen...

So sieht es bei der "Fête de la Musique" in Strassburg aus - und dieses Fest soll am 21. Juni wirklich stattfinden?! Foto: Tael / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Steckt da vielleicht mehr dahinter als nur die Musik? Mitten hinein in die Debatte, ob und wie der aufgrund der Coronakrise ausgefallene zweite Wahlgang der OB- und Kommunalwahlen Ende Juni nachgeholt werden kann oder nicht, kommt die Ankündigung der Aufrechterhaltung der „Fête de la Musique“ am 21. Juni wie ein Hammerschlag.

Die „Fête de la Musique“ ist in Frankreich und mittlerweile auch weit über die Grenzen hinaus, eine Institution. An diesem Tag spielen auf allen Plätzen, an den Straßenecken und in und vor den Kneipen Bands und haben Spaß. Die Zuschauer schlendern von einem Konzertspot zum nächsten, trinken hier und da ein Gläschen und haben ebenso viel Spaß. Mit diesem Fest der Musik wird der Sommer eingeläutet und die Menschen strömen abends in die Innenstadt und genießen das Spektakel. Aber in diesem Jahr 2020?!

Alle Frühsommer-Festivals in Frankreich sind abgesagt, es gelten nach wie vor stramme Einschränkungen im öffentlichen Leben wie Reisebeschränkungen (maximal 100 km im Umkreis der Wohnorts), geschlossene Cafés und Restaurants, Barriere-Gesten und eine Unterteilung in „grüne“ und „rote“ Departements – in den „roten“ Departements wird die Lage nach wie vor als kritisch eingeschätzt.

Und mitten hinein in diese seltsame Atmosphäre will Kulturminister Franck Riester das wohl wildeste und ausschweifenste Fest des Jahres organisieren? Bei der „Fête de la Musique“ ist abends ganz Frankreich auf den Beinen, zieht dicht gedrängt durch die Straßen und macht Party. In jedem anderen Jahr wäre das normal und ein tolles Fest. Aber 2020 ticken die Uhren anders und man sollte berücksichtigen, dass die Regierung gerne ein paar Tage später, am 28. Juni, den zweiten Wahlgang der OB- und Kommunalwahlen durchziehen möchte. Soll das Musikfest etwa als Vorwand für die Legitimierung dieses zweiten Wahlgangs dienen? Nach dem Motto „vor einer Woche konntet ihr Party machen, dann könnt ihr jetzt auch wählen gehen?“

Beim ersten Wahlgang am 15. März, in der ersten großen Welle des Coronavirus, gingen fast zwei Drittel der französischen Wahlberechtigten nicht wählen. Das war nachvollziehbar, denn man kann den Menschen nicht sagen, dass sie daheim bleiben und Sicherheits-Maßnahmen einhalten sollen, diese aber mal kurz für einen Wahlgang einer Wahl außer Kraft setzen. Doch wie demokratisch ist eine Wahl, der zwei Drittel der Wahlberechtigten aus Sorge um ihre Gesundheit fernbleiben? Und bereitet man sich jetzt darauf vor, das gleiche für den zweiten Wahlgang zu organisieren?

Wie soll man verstehen, dass alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt sind, inklusive Open Air-Festivals, dann aber genau zu diesem Zeitpunkt das größte Festival von allen stattfinden soll? Klar, Franck Riester spricht von Sicherheitsabstand, Vernunft und einer Organisation, mit der das alles klappt, alleine, es fehlt der Glaube. Die „Fête de la Musique“ lässt sich nicht in allen Bereichen kontrollieren, absichern und organisieren. Und wie passt das zusammen mit der Absage des Defilees zum Nationalfeiertag drei Wochen später, am 14. Juli in Paris? Dort ist das Risiko einer Verbreitung des Virus hinter scharf kontrollierten Absperrungen zu groß, drei Wochen zuvor ein nächtliches Fest in allen Städten und Dörfern Frankreichs aber nicht?

Man darf gespannt sein, ob hier das letzte Wort gesprochen ist. Doch sollte Riester nun zurückrudern, dann fehlt der Regierung das entscheidende Argument, eine Woche später den zweiten Wahlgang der OB- und Kommunalwahlen durchzuziehen. Die nächsten Wochen werden wohl spannend bleiben…

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