Die Guten sind wir, na klar!

Dem ist nichts hinzuzufügen... Foto: Matt Hrkac from Geelong / Melbourne, Australia / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Natürlich trägt Wladimir Putin die ganz persönliche Verantwortung am Tod von Alexei Navalny. Nicht nur, dass bereits zuvor versucht wurde, den Oppositionellen zu töten, dazu hatte er nichts in der Strafkolonie IK-3 nördlich des Polarkreises zu tun – dorthin schickte ihn der Kreml-Chef nach einigen Schauprozessen. Putin trägt folglich die Verantwortung für Navalnys Tod. Der Westen ist völlig zurecht empört. Aber wird der Westen auch dann so empört sein, wenn Julian Assange in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis zu Tode gefoltert sein wird?

Denn das Konzept des politischen Gefangenen und auch von Folter sind nicht alleine für Russland, China oder Nordkorea reserviert. Seit über 13 Jahren ist der Journalist und Whistleblower Julian Assange der Freiheit beraubt und sitzt inzwischen auch schon seit Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London, unter Bedingungen, die der frühere und mit dem Fall Assange betraute UNO-Berichterstatter für Folter und Menschenrechtsverletzungen Nils Melzer als „Folter“ bezeichnet. Assanges „Verbrechen“? Das Aufdecken amerikanischer Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan. Assange hat niemanden umgebracht, er hat lediglich der Welt die Wahrheit über unseren moralisch so überlegenen „großen Bruder USA“ berichtet.

Die Schuld an der langsamen Hinrichtung Assanges tragen inzwischen viele. Natürlich die amerikanische Administration und insbesondere die NSA, dann die vielen britischen Regierungschefs der letzten Jahre, von Cameron über May und Johnson zu Sunak, von denen es keiner fertigbrachte, nicht vor Washington zu knien, aber auch der Rest der europäischen Politik, der sich gerne für seine ach so mutigen Gesetze zum Schutz von Whistleblowern selbst feiert, aber das Kunststück hinbekam, seit 13 Jahren vor dem Fall Assange die Augen zu schließen und an keiner Stelle die Freilassung des bekanntesten Whistleblowers der Welt gefordert zu haben.

Alle beteiligten Länder des Westens, also die USA, Großbritannien und die übrigen europäischen Länder sind damit mitschuldig am Schicksal Julian Assanges, genauso wie Putin die Verantwortung für den Tod Navalnys trägt. Verbrechen gegen demokratische Grundregeln und Menschenrechte werden nicht dadurch besser, dass sie von „unserer Seite“ begangen werden, im Gegenteil. Putin hat sich nie als moralische Instanz der Welt verstanden, sondern er zieht seine zynischen Verbrechen durch, weil er irrigerweise annimmt, dass dies für sein Land gut sei. Der Westen hingegen führt sich bei jeder Gelegenheit als arbiter elegantiarum und „Hüter der demokratischen Werte“ auf und schaut betreten zur Seite, wenn die eigenen Vergehen aufgedeckt werden.

Heute fordert der Westen völlig zurecht (und leider immer seltener) von der Hamas die Freilassung der noch rund 100 lebenden Geiseln aus Gaza. Denn Geiselnahmen sind Terrorismus. Wie wäre es denn, gäbe der Westen ein gutes Beispiel durch die sofortige Freilassung des politischen Gefangenen Julian Assange? Es reicht, den Mann zum Flughafen Heathrow zu fahren, ihn in das nächste Flugzeug nach Sidney in sein Heimatland Australien zu setzen und eine entsprechende Pressekonferenz zu organisieren. Der Beifall der Welt wäre den bisherigen Folterern von Assange gewiss.

Der Fall Assange ändert nichts an der unglaublichen Brutalität und Menschenverachtung, mit der Russland und andere „Schurkenstaaten“ mit ihren Oppositionellen umgehen. Will man nicht mit diesen „Schurkenstaaten“ auf einer Ebene stehen, gäbe es ein einfaches Mittel: #Freejulianassange!

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