Die spinnen, die Jecken…

Während die Neuinfektionen durch die Decke schießen, organisiert man im rheinischen Karneval die nächsten Cluster. Das Coronavirus singt „Alaaf“ und „Dankeschön“!

"Kölle, Alaaf" - im Rheinland feiert man sich in die nächsten Cluster hinein. Foto: Gbkim2005 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – 50.000 Neuinfektionen gestern, der höchste Wert, der in Deutschland seit Beginn der Pandemie verzeichnet wurde, eine Inzidenz von über 2.000 (!) in einigen bayrischen Gemeinden, und im Rheinland setzt man andere Prioritäten: Im Karneval, der 5. Jahreszeit, darf gefeiert, geschunkelt und „gebützt“ werden, ohne dass man Masken tragen oder Abstand halten muss. Allerdings sollte sich niemand wundern, dass wir so die Pandemie nicht nur nicht in den Griff bekommen, sondern sie weiter anheizen. Was wir erleben, ist weder die „Welle der Ungeimpften“, noch die „Welle der Geimpften“, sondern die „Welle der ignoranten Politiker“.

Dank einer Sondererlaubnis ist im rheinischen Karneval an diesem Wochenende so ziemlich alles erlaubt. Bei den Sitzungen, die natürlich in geschlossenen Sälen stattfinden, muss keine Maske getragen werden, es darf geschunkelt werden (was automatisch den sozialen Abstand aufhebt), es wird gesungen, gebrüllt und gelacht. Dass dabei, selbst im irreführenden Format „2G“, neue Cluster entstehen, ist logisch und darf nächste Woche, wenn die Zahlen erneut explodieren, niemanden verwundern. Gleiches gilt für den Straßenkarneval, der zwar ebenfalls für die „2G-Gruppen“ reserviert ist, doch angesichts der Tatsache, dass auch die Mitglieder der 2G-Gruppen Virus-Träger und -Verbreiter sind, wird auch dieses lustige Massenbesäufnis zu neuen Clustern führen.

Diejenigen, die dieses völlig verantwortungslose Treiben zu verantworten haben, deklarieren dieses Karnevals-Wochenende als „Testlauf“ für die Feste und Weihnachtsmärkte zum Jahresende. Viel dümmer geht es nicht mehr. Statt dafür zu sorgen, dass die aktuelle Explosion der Zahlen eingedämmt wird, organisiert man sich jetzt die nächsten Cluster willentlich.

Wenn man sich an den Februar 2020 erinnert, und vor allem daran, wie in Deutschland die ersten Covid-Cluster entstanden sind, dann denkt man an Heinsberg in NRW, wo sich bei einer Karnevalssitzung (sic!) Hunderte Menschen infizierten. Weil sie eng beisammen hockten, schunkelten, sangen, lachten und brüllten. Und weil das so prima lief, macht man heute genau das gleiche. Glaubt wirklich jemand, dass der Karneval im November 2021 mit einem deutlich ansteckenderen Variant ein anderes Ergebnis bringt als im Februar 2020?

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer fordert bereits die Absage der Weihnachtsmärkte, wissend, dass es schier unmöglich ist, eine „sanitäre Disziplin“ bei Menschengedränge und Glühwein beizubehalten. Doch im Rheinland scheinen die Dinge anders zu liegen – hier ist der Karneval wichtiger als die Volksgesundheit.

Auch das Gerede von den ach so sicheren 2G-Formaten ist reine Augenwischerei. 2G oder 3G könnte nur dann funktionieren, wenn die Impfstoffe einen echten Schutz bieten würden, doch das tun sie nicht. Auch geimpfte und genesene Personen können das Virus einfangen und weitergeben und genau das passiert ja auch. Insofern gaukeln diese 2G-Formate eine falsche Sicherheit vor und die Menschen stürzen sich begeistert in diese Falle. Warum auch nicht – die Bundesregierung beendet schließlich am 25. November die „epidemische Notlage“. Und diese Maßnahme wird in der Bevölkerung von vielen fälschlicherweise als das „offizielle Ende der Pandemie“ interpretiert.

Die Situation verschärft sich momentan täglich, wenn nicht stündlich. Doch proportional zur Verschärfung der Lage steigt auch die Ignoranz. Nein, Geimpfte sind keine „Schafe“, sie schützen sich im besten Fall selbst; nein, nicht geimpfte Personen sind keine „Vaterlandsverräter“, sondern Menschen, die kein Vertrauen mehr in diese irrsinnige und nicht zielführende Politik mehr haben. Was nun beginnt, ist die „Welle der verantwortungslosen Politik“, die ihre lokalen Wahlkampfinteressen über die Volksgesundheit stellt.

Auch, wenn wir das mittlerweile fast jeden Tag schreiben – so lange sich die Regierungen weigern, über eine europäische Harmonisierung und einen gemeinsamen Kampf gegen diese Pandemie überhaupt nur zu sprechen, wird sich diese Pandemie weiter wie eine Achterbahn entwickeln, mit kurzen Phasen der Entspannung, während deren sich die Politik für ihre unglaublich tolle Arbeit selbst feiert, und mit langen Phasen, in denen die Krankenhäuser an ihre Grenzen stoßen, was heute bereits der Fall ist. Die Jecken sind nicht nur diejenigen, die sich jetzt in die neuen Cluster stürzen, sondern vor allem diejenigen, die dies nicht verhindern.

Bereiten wir uns also auf das dritte Jahr der Pandemie vor, das den ersten beiden Jahren an Intensität in nichts nachstehen wird. Vor allem dank einer hirnrissigen Politik, die es nicht schafft, diese Pandemie als das zu begreifen, was sie ist: ein weltweites Phänomen, das man lokal nicht in den Griff bekommen kann. Schon gar nicht beim Schunkeln in geschlossenen Hallen. Und auch nicht in „2G“ im Straßenkarneval. Ach ja, der Kölner Karnevalsprinz kann leider an den Sitzungen nicht teilnehmen. Er hat Covid. Ansonsten ist alles in Ordnung.

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