Die Übergriffe häufen sich

In Frankreich werden immer häufiger Feuerwehrleute und Rettungssanitäter Opfer gezielter Angriffe in Problemvierteln. Aber was hat das zu bedeuten?

Die Angriffe auf Rettungssanitäter und Feuerwehrleute häufen sich in Frankreich. Foto: Kevin.B / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – In der Silvesternacht wurde eine Besatzung eines Feuerwehrautos in einem Straßburger Viertel Opfer einer regelrechten Falle. Jugendliche Straftäter hatten Autos angezündet, die Feuerwehr gerufen und als diese eintraf, den Einsatzwagen und dessen Insassen mit Steinen und Wurfgeschossen angegriffen. Am Wochenende wurde ein Sanitäter-Team von der zu rettenden Person angegriffen – mit einem Messer. Diese Angriffe auf Rettungskräfte werden immer systematischer und erfordern dringend Maßnahmen.

Künftig werden Feuerwehrautos und Rettungswagen nur noch mit Polizeischutz zu nächtlichen Einsätzen in bestimmte Problemviertel ausrücken. Denn inzwischen wird es für Rettungskräfte lebensgefährlich, zu Einsätzen in bestimmte Viertel auszurücken, die eigentlich keine Wohnviertel, sondern bereits rechtsfreie Räume geworden sind. Dieses Phänomen beobachtet man gerade in fast allen Vorstädten der französischen Großstädte, dort, wo sich die Menschen abgehängt fühlen und es in der Tat auch sind. Dennoch sind diese Angriffe auf Rettungsteams ein neues Phänomen, das man genauer betrachten sollte, denn es verheißt nichts Gutes.

Der gesunde Menschenverstand will eigentlich, dass man nicht diejenigen angreift, die Leben retten und Feuer löschen. Doch diese Grundregel des gesellschaftlichen Zusammenlebens wird in Frankreich gerade immer häufiger in den Problemvierteln außer Kraft gesetzt, dort, wo der französische Staat keinen Zugriff mehr auf die Menschen hat und sich Parallelgesellschaften gebildet haben. In diesen Vierteln ist das Tragen einer Uniform, und sei es, die Uniform von Feuerwehrleuten oder Rettungssanitätern, bereits eine Identifikation mit dem Staat, der hier das Feindbild Nummer 1 ist.

Die Realitäten dieser Viertel, die von Gangs, Kriminellen, Radikalen und anderen finsteren Zeitgenossen gemanagt werden, wurden erst kürzlich in dem Kinofilm „Les Misérables“ dargelegt, einem Film, der selbst Präsident Macron nachdenklich gestimmt haben soll. Diese Viertel sind zu rechtsfreien Zonen geworden, in denen das Gesetz des Stärkeren und der Rücksichtslosen zählt.

Nur – wie soll der Staat mit dieser Situation umgehen? Autorität hat er in diesen Vierteln schon lange nicht mehr, doch ist es nicht denkbar, permanent Rettungsteams in diese Viertel zu schicken, wo sie in gefährliche Fallen laufen. Im Grunde müsste der Staat nun auf drei Ebenen reagieren, doch für keine dieser Ebenen reichen die verfügbaren Mittel.

Zum einen muss der Staat repressiv auf dieses Phänomen reagieren, Täter ermitteln, diese festnehmen und der Justiz überstellen. Nur – wie ermittelt die Polizei in diesen Vierteln Täter und nimmt diese fest? Zum anderen muss der Staat dafür sorgen, dass Feuerwehrautos und Rettungswagen sicher in diesen Vierteln unterwegs sein können – und das bedeutet tatsächlich Polizeischutz. Nur – mit welchen Mitteln? Mit welchen Teams? Mit welcher Ausrüstung? Frankreichs Polizei ist nicht dafür ausgestattet, Einsätze von Feuerwehr und Rettungswagen in Problemvierteln zu begleiten und zu sichern. Zumal man damit rechnen muss, dass solche „Konvois“ noch viel eher Zielscheibe von Angriffen werden könnten. Und zum dritten muss der Staat anfangen, gegen die Ghettoisierung der Vorstädte vorzugehen, pädagogisch zu wirken und die Integration von jungen Menschen aus der dritten und vierten Einwanderergeneration zu betreiben. Doch das kostet Zeit und Ressourcen – beides hat man in Frankreich gerade aber nicht. Die Lunte am Pulverfass brennt und die sozialen Unruhen im Land werden die Konfliktsituationen weiter verschärfen.

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