Doch, Angela Merkel ist auch in Biarritz

Der G7-Gipfel in Biarritz zeigt deutlich, dass Deutschlands Gewicht auf der Bühne der internationalen Politik immer weiter schwindet. In Deutschland entsteht gerade ein politisches Vakuum.

"Ich bin schon so gut wie auf dem Weg nach draussen", scheint Angela Merkel Justin Trudeau zu sagen... Foto: ScS EJ

(KL) – Es ist noch gar nicht lange her, da war Angela Merkel eine zentrale Figur bei all diesen Gx-Gipfeln. Das, was sie zu sagen hatte, wurde ernst genommen und hatte Gewicht. Doch diese Rolle hat die Kanzlerin verloren, und dafür gibt es viele Gründe. Angela Merkel, die in den langen Jahren ihrer Kanzlerschaft die Mächtigen dieser Welt hat kommen und gehen sehen, ist inzwischen ein Auslaufmodell und da sie während ihrer Amtszeit alles daran gesetzt hatte, alle potentiellen Konkurrenten oder Nachfolger wegzubeißen, gibt es auch keine starke Wachablösung. Doch bei genauem Hinschauen reflektiert diese Entwicklung auch den Weg Deutschlands hinein in eine Wirtschaftskrise, die kaum noch aufzuhalten ist.

Die politischen Kräfteverhältnisse haben sich in der „Ära Merkel“ massiv verändert. Das, was wichtig ist, findet zwischen China, den USA und Russland statt, die durch den Brexit, die Visegrad-Staaten und die Jahre unter Juncker geschwächte Europäische Union ist zum Zuschauer degradiert worden und da die EU es einfach nicht schaffen will, sich von dem alles lähmenden Diktat der Einstimmigkeit zu verabschieden, ist sie inzwischen kein politischer Akteur mehr im Konzert der Großen.

In diesem letzten Mandat hat es Angela Merkel versäumt, ihre Nachfolge zu regeln und dem oder der Nachfolger(in) die Übergabe zu erleichtern – in Berlin ist ein politisches Vakuum entstanden, das die gerade abstürzenden früheren Volksparteien nicht mehr füllen können.Initiativen, moderne Politik, politische Visionen für die Krisen dieser Welt gibt es bei Angela Merkel nicht mehr. Dröge hält sie an ihrem völlig überholten Austeritäts-Credo fest, agiert weiter nur im Sinn der Interessen der deutschen Wirtschaft und dabei hat sie den Blick für die Realitäten der heutigen Zeit verloren.

Der Bundeskanzlerin ist die Luft ausgegangen und das ist schlecht in einem Moment, in dem sich die Welt rapide verändert und es eigentlich nötig wäre, schnell und intelligent auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren. Die aktuellen „Wirtschaftskrisen“ zwischen den USA, China, Russland und der EU treffen die Exportnation Deutschland natürlich hart. Strafzölle verteuern deutsche Exporte und treiben die Abnehmer in die Arme anderer Anbieter. Strafzölle, so die einfache Formel, kosten Arbeitsplätze, da sie den Export schwächen. Hier hat es die Bundesregierung versäumt, rechtzeitig politisch aktiv zu werden und vor allem, die deutsche Industrie zu modernisieren. Der Exportschlager „Luxusautos“ mit hohem Benzinverbrauch sind ein Auslaufmodell und diese verpassten Innovationen, die in anderen Teilen der Welt seit Jahren mit Unterstützung der jeweiligen Staaten laufen, haben die deutsche Industrie zu einem Dinosaurier werden lassen. Es ist, als sei Deutschland am Anfang des Jahrhunderts stehen geblieben und Angela Merkel, die exklusiv die deutsche Politik in der Hand hat, ist dafür weitgehend verantwortlich. Doch die Welt wird ihr nicht den Gefallen tun, sich rückwärts zu entwickeln, nur damit die deutsche Wirtschaft etwas durchatmen kann.

Der Rest der Welt grinst unverhohlen angesichts dieser Entwicklung in Deutschland. Lange Jahre lang kritisierte die Welt die deutsche Handelsbilanz und vor allem die Exportüberschüsse, die ihrerseits Arbeitsplätze in anderen Ländern als Deutschland verursachten. Auf diese Vorwürfe hat Angela Merkel immer arrogant reagiert, nach dem Motto „ihr könnt uns nicht vorwerfen, dass wir die Besten sind“. Mit dieser Einstellung richteten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble enorme Schäden in Südeuropa an (und auch in Deutschland, wo inzwischen ein Fünftel der Gesellschaft in Armut lebt!) und mit zunehmendem Alter kann sich nicht mehr auf die radikal geänderte Situation einstellen. Die Konsequenz – Angela Merkel wird im Kreis der Mächtigen der Welt zwar noch geduldet, aber nicht mehr für wichtig erachtet.

Dazu weiß man natürlich auch in anderen Ländern, dass der demographische Wandel in Deutschland ein Phänomen ist, das sich nicht durch politische Maßnahmen regeln lässt. Die vergreisende deutsche Gesellschaft wird, vor allem in einer Situation einer Konjunkturkrise, nicht in der Lage sein, ständig weiter steigende Sozialkosten durch immer weiter sinkende Einkommenssteuern zu stemmen. Dazu benötigt die in vielen Teilen marode Infrastruktur (Schiene, Straßen, sozialer Wohnungsbau etc.) Investitionen, die in dieser Lage nicht mehr zu stemmen sind – Deutschland ist, wie wir es seit längerer Zeit hier schreiben, auf dem Weg in die Krise und hat in dieser Situation eine müde und frustrierte Krisenmanagerin, die nicht mehr viele von diesen Problemen managt.

Und so kommt es halt, dass bei den Themen, um die es in Biarritz geht, Deutschland Meinung oder gar Wünsche keine Rolle mehr spielen. Selbst der auf internationaler Bühne eher ungeschickt und zu selbstbezogen agierende Emmanuel Macron hat der Bundeskanzlerin längst die Rolle des „wichtigsten“ europäischen Führers aus der Hand genommen, wobei diese Rolle nicht sehr dankbar ist – denn der wichtigste Politiker einer immer unwichtiger werdenden Organisation zu sein, ist eben auch nicht so richtig toll.

Angela Merkel sollte den Rest ihrer Amtszeit darauf verwenden, ihre Nachfolge vernünftig zu regeln. Und vielleicht auch das Land auf eine „neue Bescheidenheit“ vorzubereiten – wer weiß, wann wir die Hilfe Griechenlands brauchen werden…

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