Ein Freifahrschein für Frankreichs Polizei?

Der oberste Chef der „Police Nationale“ hat mit seiner Forderung, dass Polizisten für Vergehen in Ausübung ihres Dienstes nicht in Untersuchungshaft kommen sollen, eine scharfe Debatte ausgelöst.

Nein, nicht alle Polizisten sind gewalttätig. Aber einige schon... Foto: Alternative libertaire from France / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Die französische Polizei steht mächtig unter Druck. Seit 2018 müssen die Ordnungshüter fast jedes Wochenende als Prügelknaben für die inkompetente Politik ihrer Regierung herhalten und langsam kommen die Ordnungshüter an ihre Grenzen. Dazu kommen zahlreiche Überschreitungen ihrer Kompetenzen und leider auch Gewaltexzesse, die sogar von der UNO deutlich kritisiert werden. Dass Frédéric Veaux, der oberste Chef der „Police Nationale“, nun fordert, dass Polizisten, denen ein Vergehen in Ausübung ihrer Funktion vorgeworfen wird, nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden sollen, ist allerdings starker Tobak. Denn in der Praxis bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger als einen Freifahrschein für die Polizei. Was einmal mehr die Frage aufwirft, wohin Frankreich gerade steuert.

Ausgangspunkt für diese Debatte war, dass in Marseille mehrere Polizisten in Untersuchungshaft genommen wurden, denen „Körperverletzung im Amt“ vorgeworfen wird, ein ziemlich häufiger Vorwurf in Frankreich seit 2018. Dies sorgte in den Reihen der Polizei für heftige Kritik und ein hoher Polizeivertreter kommentierte: „Es ist unerträglich, dass unsere Jungs im Gefängnis sitzen und die Verbrecher frei herumlaufen“. Dies ist zwar stark vereinfacht dargestellt, doch aus Sicht der Ordnungshüter durchaus nachvollziehbar.

Doch die Lösung kann kein Freifahrschein für die Polizei sein, bei der nach 6 Jahren der permanenten Unruhen und Auseinandersetzungen die Nerven blank liegen. Wenn man nun noch bedenkt, dass die Unruhen in Frankreich alles andere als vorbei sind und wahrscheinlich spätestens zu den Olympischen Spielen in Paris 2024 erneut aufflammen, dann wäre eine solche Regelung hochgefährlich.

Nun läuft es auf eine Art Armdrücken zwischen Polizei und Regierung hinaus. Vom fernen Neu-Kaledonien aus sagte Präsident Macron, dass „alle vor dem Gesetz gleich sind“ und erteilte dem Vorschlag somit eine Absage. Doch die französische Polizei will es nicht dabei belassen und Hunderte Polizisten haben sich erst einmal krankschreiben lassen, während andere nach „Code 562“ arbeiten, was bedeutet, dass sie sich nur noch um echte Notfälle kümmern, andere Vorgänge aber nicht bearbeiten. Für einen Beruf, der kein Streikrecht genieβt, ist das die höchste Form der Arbeitsverweigerung.

Aber warum sollten Polizisten, die sich Dingen wie Körperverletzung, Totschlag, Freiheitsberaubung etc. schuldig machen, nicht belangt werden können? Gut, die Forderung von Frédéric Veaux bezieht sich „nur“ auf die Untersuchungshaft bis zu einem eventuellen Verfahren, doch weiβ man, dass sich auch die französische Justiz schwer tut, Verfahren gegen andere Repräsentanten des Staats durchzuführen, so, wie es auch in anderen Ländern der Fall ist.

Seit 2018 ist Frankreich in ständiger Unruhe. Seitdem wurden Sondereinheiten ins Leben gerufen, die bei Demonstrationen auf Quads und Motorrädern unterwegs sind und ein besonders auffälliges, brutales Verhalten an den Tag legen. Diesen Elitetruppen Sonderrechte einzuräumen, ist gefährlich und es gibt genug Beispiele aus anderen Ländern, wo solche Regelungen zur Einrichtung von „Todesschwadronen“ und anderem geführt haben. Da man davon ausgehen muss, dass Präsident Macrons Pläne zur „Befriedung“ des Landes an seiner Person scheitern, muss man sich auf weitere Auseinandersetzungen in den kommenden Jahren einrichten. Da wird es wichtig sein, dass Polizisten tatsächlich „Bürger in Uniform“ sein müssen, statt dass man ihnen erlaubt, so über die Stränge zu schlagen, wie es ihnen passt.

Frankreichs Entwicklung wird von Woche zu Woche beunruhigender, wie inzwischen auch die internationale Presse feststellt. Bevor sich Frankreich so verhält wie andere Länder, die oft und gerne von Paris kritisiert werden, sollte man kurz innehalten und darüber nachdenken, warum Frankreich seit sechs Jahren nicht zur Ruhe kommt. Diese Überlegungen wird man auch nicht durch Hartgummigeschosse, Tränengas und Schlagstöcke ersetzen können…

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