Der Kandidat, der sich nicht erklären will…

Natürlich strebt Emmanuel Macron eine zweite Amtszeit an. Doch bislang hat er seine Kandidatur noch nicht erklärt, denn das sichert ihm deutlich mehr Präsenz in den Medien.

So lange Macron seine Kandidatur nicht erklärt, kann er Wahlkampf auf Staatskosten betreiben. Foto: © Marine Dumény / EJ

(KL) – Politik ist keine „Wattebäuschchen-Schlacht“. Es wird mit harten Bandagen um jeden Zehntelprozentpunkt gekämpft. Dies ist auch der Grund, warum Amtsinhaber Emmanuel Macron für die kommenden Präsidentschaftswahlen seine Kandidatur noch nicht erklärt hat, obwohl er sich seit Wochen aktiv im Wahlkampf befindet. Denn in Frankreich wird auf die Sekunde genau festgehalten, wieviel Medienzeit die einzelnen Kandidaten haben, damit diese möglichst gleichmäßig verteilt wird, Stichwort Chancengleichheit.

Überall in Frankreich hängen bereits die Plakate „+5“, was bedeutet, dass die Anhänger von Emmanuel Macron bereits in der Wahlwerbung sind, während Macrons Wahlkampf momentan und anders als für die anderen Kandidaten, auf Kosten der Franzosen und neben der Erfassung der Medienzeit läuft. Denn sein Wahlkampf läuft unter dem Etikett „Ausübung des Präsidentenamtes“. Und so jettet der Präsident auf Kosten der Steuerzahler durch’s Land, nimmt einen Wahlkampftermin nach dem anderen wahr und hat, wen wundert’s, eine mediale Berichterstattung, von der die anderen Kandidaten und Kandidatinnen nur träumen können.

Das Ganze fällt, wie so vieles, unter die französische Überschrift „wer die Macht hat, kann sich alles erlauben“ und diese Interpretation des Konzepts „Macht“ zählt zu den Gründen, warum in letzter Zeit rund zwei Drittel der Franzosen gar nicht mehr wählen gehen. Den Politikern ist es egal – Hauptsache gewählt, auch wenn die demokratische Legitimierung von Politikern, die mit 10 oder 12 % der wahlberechtigten Stimmen gewählt werden, mehr als fraglich ist.

Ebenfalls darf man nicht vergessen, dass Emmanuel Macron den „sanitären Ausnahmezustand“ bis Ende Juli verlängert hat, was ihm ermöglicht, bis dahin per Dekret und ohne demokratische Kontrolle des Parlaments zu regieren. Sollten die Umfragen für Macron negativ sein, könnte er sogar die Präsidentschafts- und die danach stattfindenden Parlamentswahlen auf einen Zeitpunkt verschieben, der ihm günstiger erscheint. Mit „Demokratie“ hat das alles nicht mehr viel zu tun, aber wie eingangs gesagt, Politik ist keine „Wattebäuschchen-Schlacht“.

Problematisch ist allerdings, dass mit solchen und ähnlichen Maßnahmen die Demokratie „von oben“ erodiert. Der Machterhaltungstrieb ist in der politischen Kaste derart ausgeprägt, dass kein Taschenspieler-Trick zu plump ist, um sich einen minimalen Vorteil zu verschaffen. Um „politische Inhalte“ geht es kaum noch, was zählt, ist einzig und alleine die Wiederwahl.

Dafür hören die Franzosen Herrn Macron allerdings gerne zu, wenn er für die nächste Amtsperiode den Himmel auf Erden verspricht. Dies löst bei seinen Anhängern eine derartige Verzückung aus, dass niemand auf die Idee kommt zu fragen, warum er all diese herrlichen Dinge nicht bereits in seiner ersten Amtszeit in Angriff genommen hat.

Der Wahlkampf in Frankreich hat gerade erst begonnen und bereits jetzt haben sehr viele Franzosen bereits die Nase von diesem eitlen Paradieren der Kandidaten und Kandidatinnen gestrichen voll. Zumal sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin jemand wird, den eigentlich niemand im höchsten Staatsamt sehen will. Im Superwahljahr 2022 wird es in Frankreich keine erfreuliche Wendung geben.

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