Ein neuer politischer Ansatz für Europa?

Der zurückgetretene französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron macht konkrete Vorschläge für Europa, die nicht schlecht klingen. Es lohnt sich, diese einmal anzuschauen.

Emmanuel Macron schlägt interessante Ansätze für ein neues europäisches Projekt vor. Foto: OFFICIAL LEWEB PHOTOS / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Ob Emmanuel Macron, der es mit 38 Jahren schaffte, Minister zu werden, ohne jemals in irgendein Amt gewählt worden zu sein, tatsächlich das ist, wofür ihn seit gestern vor allem die weiblichen Fans in Frankreich halten, nämlich der Hoffnungsträger für die französische Zukunft, bleibt abzuwarten. Zumindest ist seine Bilanz als Wirtschaftsminister ziemlich mau, seine liberal geprägten Wirtschaftskonzepte sind stark transatlantisch geprägt, doch zum Thema „Europa“ hat Macron interessante Ansätze, über die es sich lohnt nachzudenken.

Immerhin ist Macron der offenbar einzige Politiker, der nach dem Referendum über den „Brexit“ nicht vergessen hat, dass alle nach einem „neuen europäischen Projekt“ gerufen hatten – und genau das will er auf die Bahn bringen. So fordert er eine gesamteuropäisches Referendum über die Zukunft Europas für die nächsten 15 Jahre, dem in den Ländern ein konsultativer Prozess vorausgehen soll, bei dem Ideen, Wünsche, Vorschläge gesammelt werden sollen, über die dann alle Europäerinnen und Europäer abstimmen sollen – am gleichen Tag.

Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Die Idee ist nämlich nur dann gut, wenn dieser Vorabprozess nicht von den „üblichen Verdächtigen“ geführt wird, also denjenigen, die Europa gerade an die Wand fahren, sondern alle wirklich engagierten gesellschaftlichen Kräfte einbezieht. Sollte das gelingen, wäre das tatsächlich eine europäische Revolution. Sollte sich dieser Prozess allerdings auf diejenigen beschränken, die bisher zum Thema „Europa“ so ziemlich alles falsch gemacht haben, dann könnte ein solches Referendum auch das Ende des europäischen Traums bedeuten. Denn dass sich bei solchen Volksbefragungen besonders die Populisten und Extremisten mobilisieren, hat man zuletzt wieder schmerzlich am 23. Juni in Großbritannien erfahren.

Der frühere Rothschild-Bankmanager Macron steht für eine liberale Wirtschaftsordnung, was ihm zumindest schon einmal den Beifall von Wolfgang Schäuble einbringen dürfte. Hier müsste Macron einen deutlichen Richtungswechsel vollziehen, denn dass die deutsche Austeritätspolitik zu den Dingen gehört, die Europa ruinieren, weiß man nicht erst seit der Veröffentlichung des Berichts des Europäischen Kommissars für soziale Fragen Laszlo Andor, der in Brüssel verkündete, dass ein großer Teil der europäischen Misere auf diesen deutschen Irrweg zurückzuführen ist.

Doch all das ändert nichts daran, dass Macrons Vorschlag für eine europäische Neuausrichtung hoch interessant ist. Dass er mit diesem Thema punkten kann, liegt vor allem an einem – dem absoluten Desinteresse der nationalen Regierungen am Thema Europa. Vielleicht ist Macron tatsächlich ein Hoffnungsträger, vielleicht ist er der Politiker, der den entscheidenden Anstoß für ein „neues Europa“ geben kann. Deswegen darf man gespannt sein, wie die konkreten Vorschläge Macrons für dieses Projekt lauten, das im Moment noch im Stadium der wohl gemeinten Absichtserklärung steht. Doch so haben alle guten Ideen und Projekte ihren Lauf genommen – und es wurde höchste Zeit, dass endlich ein Politiker mit Vorschlägen für eine Neuausrichtung Europas antritt. Und plötzlich wird der französische Präsidentschaftswahlkampf doch noch richtig interessant…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste