Eine Kirche als Terror-Organisation?

Wir leben in verrückten Zeiten. Der estnische Innenminister Lauri Läänemets will das Moskauer Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche zur Terror-Organisation erklären. Und dabei hat er nicht einmal Unrecht.

Ein Wolf im Schafspelz - der frühere KGB-Agent ist heute als Kyrill I. Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche. Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY 4.0int

(KL) – Eine uralte Kirche als terroristische Organisation? Dazu möchte zumindest der estnische Innenminister Lauri Läänemets das Moskauer Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche einstufen. Einen entsprechenden Vorschlag wird er dem estnischen Parlament unterbreiten und dies ist in der Tat eine kleine Revolution, mit der Läänemets leider Recht hat, wobei das Problem in allererster Linie bei Patriarch Kyrill I. liegt, denn der Putin-Intimus ist eine mehr als seltsame Person, die in Russland zu den klaren Kriegstreibern zählt.

Dabei präzisiert Läänemets, dass es keineswegs darum geht, den auch in Estland weit verbreiteten russisch-orthodoxen Glauben zu ächten oder gar das Leben in den Gemeinden aufzumischen, es geht vielmehr darum, die Anbindung an das Moskauer Patriarchat zu kappen. Das wäre dann so, als würde man in anderen Ländern den katholischen Glauben weiterhin befördern, aber die Verbindungen zwischen den Landeskirchen und dem Vatikan beenden.

Das Problem mit Kyrill I. ist vielschichtig. Ein Kirchenchef, der einst für den gefürchteten russischen Geheimdienst KGB gearbeitet hat und seit dieser Zeit mit Wladimir Putin befreundet ist, ist nur schwer nachvollziehbar. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wird der Mann nicht müde, diesen Krieg gutzuheißen und Soldaten und Material zu segnen. Dass er damit zu denjenigen zählt, die Putin den notwendigen Rückhalt in der russischen Gesellschaft bieten, ist ihm dabei natürlich bewußt.

Man stelle sich vor – Papst Franziskus würde nicht etwa zu Frieden und zur Beendigung des Tötens aufrufen, sondern die NATO und deren Kriegsausrüstung segnen. Unvorstellbar. Aber nicht für Kyrill I.

In Estland, wo sich rund 100.000 Menschen zum russisch-orthodoxen Glauben bekennen, sind die kriegerischen Äußerungen des Moskauer Patriarchen nicht nur ein Ärgernis, sondern werden als Gefahr betrachtet. Zwar gibt es etliche Gemeinden, die bereits losgelöst vom Moskauer Patriarchat agieren, doch das betrifft längst nicht alle Gemeinden. Estland, das als baltisches Land mit direkter Grenze zu Russland durchaus zu den „bedrohten“ Ländern gehört, braucht sicher keine religiös angehauchte „5. Kolonne“ im Land.

Es ist erstaunlich, dass die russisch-orthodoxe Kirche von einem ehemaligen Geheimdienstler geleitet wird, der die Ansichten und Aktionen von Wladimir Putin vollumfänglich teilt und die zugrunde liegende religiöse Lehre mit Füssen tritt. Insofern hat Lauri Läänemets absolut Recht, den Bruch mit dem Moskauer Patriarchat im Parlament bestätigen lassen zu wollen.

Aber ganz durch ist die Geschichte noch nicht, denn die Estnische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (MPEOC) hat erklärt, dass sie nicht direkt diesem Patriarchat unterstellt sei und es daher ablehne, einen solchen Bruch zu vollziehen. Kein Wunder, dass in der estnischen Regierung alle Alarmglocken klingeln.

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