Von Nizza über Würzburg und München nach Kabul…

Nach dem Attentat von Nizza gab es zwei Anschläge unterschiedlicher Natur in Deutschland, die Abschaffung der Demokratie in der Türkei, Donald Trump und das Gefühl, dass alles gerade aus dem Ruder läuft.

Von Nizza bis München zieht sich in den letzten Tagen ein roter Faden der Angst und des Schreckens. In den Griff kann das nur Europa zusammen bekommen. Foto: siegertmarc / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Europa ist in einer Art Schockzustand. Nach dem fürchterlichen Anschlag in Nizza gab es in der letzten Woche erst den Angriff eines 17jährigen Täters mit terroristischem Hintergrund in einem Nachverkehrszug in Würzburg und dann die Schreckensnacht von München, die sich hinterher als Amoklauf eines 18jährigen Einzeltäters ohne terroristischen Hintergrund herausstellte. Doch nicht nur in Europa leben die Menschen in Angst und Schrecken – am Samstag rissen zwei Selbstmordattentäter im afghanischen Kabul mehr als 80 Menschen in den Tod, in Afrika sind Zehntausende Menschen akut vom Hungertod bedroht und wir schauen mehr oder weniger ohnmächtig dabei zu, wie die Welt aus den Fugen gerät.

Es ist nur ein schwacher Trost, dass solche Situationen nicht ganz neu sind, die Welt war immer schon im permanenten Wandel und voller Unruhe, es gab immer schon schreckliche Geschehnisse, nur ist die Frequenz und vor allem die Sichtbarkeit dieser Ereignisse enorm gestiegen. Heute erfahren wir von solchen Geschehnissen nicht mehr am nächsten oder übernächsten Tag aus der Zeitung oder dem Radio, sondern wir verfolgen sie live in den sozialen Netzwerken und im Internet mit. Das macht diese Ereignisse direkter und unmittelbarer und dadurch steigt die persönliche Betroffenheit des Einzelnen.

Doch die letzte Woche war wirklich eine ungewöhnlich schlimme Woche. In der Türkei wurde nicht nur der Ausnahmezustand ausgerufen, auch die Menschenrechte wurden nach dem mehr als fragwürdigen „Putsch“ vorübergehend außer Kraft gesetzt. 11000 Menschen sind inzwischen verhaftet worden und können, wie der Machthaber Erdogan erklärte, bis zu 30 Tage ohne irgendein Verfahren oder ein rechtsstaatliches Verfahren in Haft bleiben. Die Bilder, die uns aus den Gefangenenlagern erreichen, sind grausam. Akademiker dürfen nicht mehr ins Ausland reisen, die Justiz und Armee werden gerade „gesäubert“ und in Europa weiß man nicht, wie man mit dem türkischen Führer Erdogan umgehen soll. In den Arm fällt ihm auf jeden Fall niemand, ebenso wenig, die die Welt einem Saddam Hussein oder einem Muamar Khadafi in den Arm fiel, denn Erdogan wurde ja auch mit Angela Merkels gütiger Mithilfe demokratisch gewählt. Dass er nun die Demokratie abgeschafft hat, wird als Ärgernis betrachtet, dass er die Todesstrafe wieder einführen will ebenso, doch niemand ergreift Maßnahmen. Welche auch? Immerhin hoffen die Europäer immer noch darauf, dass der vom Demokraten zum Despoten gewandelte Erdogan die syrischen Flüchtlinge im Land behält und nicht etwa in Richtung Europa schickt.

Seit Anfang des Monats, seit Nizza, Würzburg und München leben die Menschen in Europa noch mehr in Angst als zuvor. Zwar waren alle drei Anschläge völlig unterschiedlich gelagert, hinterließen jedoch dieses Gefühl, dass jederzeit und überall das Unsägliche passieren kann. Das stimmt natürlich, auch wenn es 100 % Sicherheit in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat – doch ist da dieses Gefühl, dass alles näher rückt und für jeden von uns persönlich bedrohlicher wird.

Die größte Schwierigkeit liegt nun darin, nicht in blinden Extremismus, Rassismus und Hass zu verfallen, wie das gerade viele tun, sondern gemeinsam und mit allen Akteuren der Gesellschaft nach kurz-, mittel- und langfristigen Lösungen zu suchen. Sollten wir dies nicht hinbekommen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir unsere Länder kampflos den Extremisten und westlichen Hasspredigern überlassen, die gerade mächtig Rückenwind haben und nur darauf warten, über lange Jahre erkämpfte bürgerliche Freiheiten, so wie in der Türkei, einfach über Bord zu werfen.

Die nächsten Zeiten werden nicht einfach werden. Jetzt heißt es, den Schulterschluss in Europa zu suchen, denn die Antwort auf viele Fragen liegt genau dort, wo viele die Schuldigen verorten – mit mehr Europa steigt auch die Sicherheit auf unserem Kontinent, weswegen man allen, die heute gegen Europa aufbegehren, eine deutlich Absage erteilen und gleichzeitig alles daran setzen muss, Europa endlich zu dem zu machen, was es eigentlich einmal sein sollte – der Hort der Menschenrechte, der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit. Noch ist das möglich.

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