Unsere Angst könnt ihr haben. Mehr aber auch nicht.

Ein Jahr nach den Anschlägen von Paris ist nichts mehr, wie es vorher war. Die Angst macht sich in Europa breit. Und so schwierig das ist – wir dürfen ihr nicht nachgeben.

Die Soldaten gehören zum Alltag wie die Angst. Aber mehr bekommen die Terroristen nicht von uns. Foto: Ctruongngoc / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wir sind Paris. Wir sind Brüssel. Wir sind Nizza. Wir sind müde, wir haben Angst, wir fangen an, in ganz anderen Kategorien zu denken als vor den Anschlägen. Und zu alledem kommt die Aufgabe, trotzdem weiter zu leben, dem Hass und der Gewalt neuen Mut und Liebe entgegen zu stellen. Und dabei sollten wir uns ein Beispiel an den Franzosen nehmen.

Der Name „Bataclan“ wird für alle Zeiten mit den schrecklichen Attentaten am 13. November 2015 in Verbindung bleiben. Am Samstag öffnete die Konzerthalle in Paris wieder ihre Tore und Sting gab das erste Konzert seit dem 13. November 2015 – ein Akt des Trotzes, des Lebens, des Muts und der Solidarität. Denn wir dürfen nicht der Angst vor Anschlägen unser Leben unterordnen.

Doch sind wir nicht die einzigen, die sich auf diese veränderte Situation einstellen müssen. Auch die moslemischen Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen mit dieser veränderten Situation umgehen und deutliche Schritte auf die Gesellschaften zu machen, in denen sie leben. Wer heute darauf insistiert, am Strand einen „Burkini“ zu tragen, wer zulässt, dass europäische Frauen an europäischen Stränden von Banden radikaler Jugendlicher angepöbelt werden, der hat nicht verstanden, wie sich die Welt seit 2015 verändert hat. Wer heute noch auf das Tragen ostentativer religiöser Symbole insistiert, der will eine schwer verwundete Gesellschaft weiter spalten und bereitet das Bett für rechtsextreme Volksverführer vor, die bereits in den Startlöchern hocken.

Angst? Natürlich haben wir Angst. Ein vergessener Rucksack an der Tramhaltestelle oder im Bahnhof löst stundenlange Verspätungen aus. Wir gewöhnen uns einen aufmerksamen Blick an, denn das hat man uns ja gesagt, dass wir aufmerksam sein sollen. Nur hat uns niemand gesagt, worauf wir aufpassen sollen. Auf bärtige Männer mit Rucksäcken? Auf verschleierte Frauen, die unter ihrer Burka einen Sprengstoffgürtel tragen könnten?

Die Franzosen geben die beste Antwort – sie leben weiter. Mit verstärkter Polizei- und Militärpräsenz, mit dem Ausnahmezustand, mit Sicherheitsmaßnahmen. Aber – ohne auf das Leben zu verzichten. Denn genau das ist es, was diese mittelalterlichen Vollpfosten wollen. Sie wollen, dass wir unser Leben so leben, wie ihre verblendeten Führer es gerne hätten. Und genau das darf nicht passieren.

Und in all dem Drama ist es gut zu sehen, dass Europa solidarisch mit Frankreich ist. Denn nur, wenn alle Europäer solidarisch an der Seite der Franzosen und Belgier stehen, die als erste im Fadenkreuz feiger Terroristen stehen, wird man den europäischen Kampf gegen den Terrorismus gewinnen können. Einen Kampf, der anders aussehen muss als den gesamten Nahen und Mittleren Osten mit Bombenteppichen zu überziehen. Der europäische Kampf gegen den Terrorismus muss eine Mischung aus Intervention und Prävention sein. Dort, wo die Grundwerte der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit vergewaltigt werden, muss der Staat sofort und mit Bestimmtheit eingreifen. Und gleichzeitig durch Programme, an denen alle Beteiligten mitwirken müssen, die Prävention vorantreiben. Wer meint, dass er sich an solchen Programmen nicht beteiligen muss, der sollte seine Sachen packen und dorthin gehen, wo die Menschen genauso verblendet sind.

Die Welt hat sich seit dem „Bataclan“ polarisiert und niemand kann mehr so weitermachen wie bisher. Und Frankreich sollte wissen, dass es in diesem Kampf nicht alleine dasteht. Ganz Europa ist nach wie vor „Paris“.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste