Embedded. Ausgangssperre, Tag 31. Endlich frei (oder so)!

Nach 25 Tagen Covid-Erfahrung konnte ich gestern zum ersten Mal den Frühling in freier Natur genießen. Frei wohl deshalb, weil ich es grade mal 10 Minuten lang schaffte – aber es war toll!

Ah, endlich frei! Erster "Auslauf" nach 25 Tagen... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Tag 31 und es ist Frühling! Nicht nur dank der Fotos, die meine Freunde mir seit 25 Tagen schicken, sondern weil ich ihn selber sehen und spüren konnte! Zum ersten Mal seit 25 Tagen konnte ich mein Apartment mit Blick in einen grauen Betonhinterhof verlassen und 10 Minuten draußen am Kanal spazieren gehen. Es war wie ein Geschenk des Himmels, jeder Schritt und jeder blühende Kastanienbaum waren einfach umwerfend!

Dass der Frühling angefangen hatte, das wusste ich. Aber ihn selber erleben? Eine großartige Erfahrung, gleich auf mehreren Ebenen. Zum einen fühlte es sich einfach prächtig an, die verschwenderische Natur im Frühling zu sehen, alles sprießt, blüht und gedeiht, das Grün der Bäume ist satt bis zart, und die Blüten sind weiß bis lila. Das sind sie vermutlich jedes Jahr auf genau die gleiche Weise, aber ich habe das so noch nie gesehen. Oder wahrgenommen. Klasse!

Zum anderen ist für mich jetzt völlig klar, dass ich mein Virus besiegt habe. Zwar sind der Geruchs- und Geschmackssinn immer noch nicht da, aber was soll’s, die beiden werden schon wiederkommen! Doch dieser erste Kurzausflug war ein Statement – basta, du Drecksvirus! Und auch das fühlt sich gut an, zumal erst jetzt die Erinnerungen an diese Wochen hochkommen, an Situationen, die ich zu dem Zeitpunkt gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Mit fällt der Satz meines Freundes ein, der Arzt in Montpellier ist, mich per Telefon überwachte und der zu den Werten meiner Atmungs-Amplitude sagte „noch ein paar Punkte, 2 oder 3, und du musst die 15 anrufen und ins Krankenhaus“. Was das bedeutet, wird mit erst jetzt richtig klar.

Dass ich mich so frei fühlen konnte, lag sicher auch daran, dass ich mich in einem Radius von 150 Metern rund ums Haus bewegt habe. Ich hatte mit zwar meine Ausgangserlaubnis auf dem Smartphone zusammengeschustert und meinen Ausweis dabei, doch wenn ich mitbekomme, mit welcher Selbstherrlichkeit die patrouillierenden Polizisten mittlerweile 135 €-Tickets verteilen, oftmals ohne Anlass und einfach nur zum Vergnügen, dann finde ich das schon bedenklich.

Ein Freund wurde gestern kontrolliert, als er mit dem Fahrrad zum Einkaufen zu einem Supermarkt in der Innenstadt fuhr. Das darf er in einem Umkreis von 1 Kilometer rund um seine Wohnung. Schlau, wie er ist, hatte er vorher auf Google nachgeschaut, wie weit die Entfernung zwischen seiner Wohnung und dem besagten Supermarkt ist – exakt 837 Meter, also innerhalb des erlaubten Rahmens. Der Polizist, der ihn kontrollierte, war anderer Meinung und fing bereits an, die Personalien zu notieren, triumphierend ein „das mit der Entfernung glaube ich Ihnen nicht, sie bekommen einen Strafzettel über 135 €“ ankündigend. Mein Freund protestierte heftig beim Chef der Patrouille und zeigte ihm auf Google Maps die exakte Entfernung. Als Kommentar hörte er „sehen Sie zu, dass Sie schnell weiterkommen, für dieses Mal soll es gut sein…“. Natürlich fuhr mein Freund weiter, zutiefst gekränkt von dieser Selbstherrlichkeit, als ob ihm großzügig ein Verstoß verziehen worden sei.

Diese und ähnliche Fälle hört man heute täglich in der Stadt. Doch die Ordnungshüter sind nicht etwa eine Besatzungsmacht, sondern sollen die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren, nicht mehr und nicht weniger. Dieses Verhalten mag dem einen oder anderen Gendarmen Freude bereiten, ist aber unter dem Strich ziemlich dumm. Denn wenn irgendwann diese Ausgangssperre wieder aufgehoben wird, und das wir sie eines Tages, dann werden die Menschen bis unter die Haarwurzeln aufgeladen sein und bereits jetzt befürchten die französischen Geheimdienste schwere und schwerste Auseinandersetzungen nach dem „Confinement“. Dieses Pulverfass durch ein derart arbiträres Verhalten der Polizei weiter anzufüllen, das ist nicht unbedingt das Schlauste, was man in dieser Situation machen kann.

Aber heute, Tag 31, soll es mir egal sein. Ich war draußen! Und mit jedem Schritt in der frischen Luft lasse ich das Drecksvirus weiter hinter mir!

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