Embedded. Ausgangssperre, Tag 38. Back to McDonalds

In verschiedenen Städten haben die Fast-Food-Restaurants des amerikanischen Hamburger-Braters im Drive-In wieder geöffnet und einen regelrechten Rausch ausgelöst. Und was bedeutet das?

Und wegen so einem schlechten und teuren Essen stellt sich der Plebs in den Stau?! Foto: Raysonho @ Open Grid Scheduler / Grid Engine / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Tag 38. Die Bilder aus Luxemburg und dem Großraum Paris gingen durch alle sozialen Netzwerke. Kilometer lange Staus, drei Stunden Wartezeit, nur um eine Tüte Fast-Food von Uncle Sam zu ergattern. Die Eliten der Nation seufzten angesichts der Aufgeregtheit des Plebs für ein paar Big Macs und erklärten kollektiv aus ihren Gärten, in denen sie nach wie vor frische Bio-Produkte konsumieren können, dass sich wohl nach der Krise nicht viel ändern würde. Das Volk ist doof und wird es auch immer bleiben. Doch das sehe ich ausnahmsweise einmal ganz anders.

Den Menschen, denen es während dieser Krise und der strikten Ausgangssperre gut geht, seien ihre Ausgangssperren-Ferien von Herzen gegönnt. Es ist sicher angenehm, in der Ruhe einer gelähmten Stadt in einem der besseren Stadtteile auf der Terrasse zu sitzen, ein leckeres Bio-Hühnchen zu verspeisen, zum Dessert ein Bio-Tiramisu zu verzehren und das Ganze mit einem Nuit-Saint-Georges 1979 herunter zu spülen. Es sei ihnen wirklich gegönnt, denn in dieser angenehmen Atmosphäre können sie so etwas wie Normalität bewahren, denn sie machen dort eigentlich nichts anderes, als sie sonst auch machen. Das ist schön. Vor allem, wenn man plötzlich wieder die Vögel zwitschern hört.

Nur – auch der für so doof gehaltene Plebs sehnt sich nach Normalität und die erleben viele Menschen in ihren engen Mietwohnungen, in denen sie seit über einem Monat eingeschlossen sind, leider nicht. Sozial schwächere Menschen leben seit Wochen in einem Ausnahmezustand, der sich ständig weiter verschärft. Einkaufen gehen ist inzwischen schon fast eine Art Highlight geworden und beim Einkaufen spüren leider sozial schwache Menschen zuerst, dass die Preise für viele Dinge dramatisch angezogen haben. Das gilt insbesondere für Obst und Gemüse, das bei diesen sozial schwachen Menschen inzwischen auf dem Speiseplan fehlt, weil diese Dinge eben zu teuer geworden sind.

Jaaaa, tönt es jetzt aus den großzügig angelegten Gärten, aber dann brauchen sie nicht zu McDonalds zu fahren, dass ist schlechtes Essen und obendrein auch noch richtig teuer! Stimmt. Stimmt beides. Um beispielsweise eine vierköpfige Familie bei McDonalds (oder einer anderen Fastfood-Kette) statt zu bekommen, muss man mehr Geld auf den Tisch legen, als wenn man in ein normales Restaurant geht. Aber das kann man gerade nicht, weil die geschlossen sind. Also haben sich Hunderte, Tausende Menschen in ihre kleinen Autos gesetzt und sind bei der Wiedereröffnung dieser Drive-Ins mit Begeisterung in den Stau gefahren. Denn am Ende winkten Hamburger, Cheeseburger, Big Macs und wie das Zeug eben so heißt.

Der Grund für diese verrückten Autoschlangen war allerdings nicht ernährungstechnisch begründet. Es ging vielmehr darum, für einen durchaus hohen Preis ein kleines Stückchen Normalität einzukaufen. Etwas zu machen, was man außerhalb der Ausgangssperre auch machen könnte. Eine Ahnung des Lebens „davor“, eine Hoffnung auf das Leben „danach“.

Die arroganten Reaktionen auf die zirkulierenden Videos sind – arrogant. Der soziale Bruch, der durch die Gesellschaft geht, ist tief und zeigt sich auch an solchen Stellen. Statt darüber nachzudenken, was die „einfachen Leute“ dazu bewegen könnte, sich solche Staus für eine Tüte schlechtes Essen anzutun, verurteilt die Elite das Volk, gießt sich noch ein Gläschen Champagner ein und kommt zum Ergebnis, dass sich nach dieser Krise gar nichts ändern wird, weil der Plebs einfach zu dämlich ist, sich intelligent und politisch so aufzustellen, dass die große Wende kommt. Mit einem Volk, das sich von derart niederen Beweggründen leiten wird, lässt sich eben keine Revolution machen.

Doch das Problem sind nicht die einfachen Leute, die nach Wochen höchster psychischer Belastung ein wenig „Leben von vorher“ schnuppern wollen, sondern die blasierten Eliten in ihren Gärten – mit denen wird sich nämlich nicht viel ändern. Verständlich, denn denen geht es auch in der größten Krise noch gold, um einmal Walter Kempowski zu bemühen. In den blühenden Gärten und auf den Terrassen sitzen diejenigen, die gar kein Interesse daran haben, dass sich etwas ändert. Tag 38, im Schatten der sanitären Krise zeichnet sich der soziale Bruch der Gesellschaft jeden Tag etwas deutlicher ab. Es könnte sein, dass diese sozialen Konflikte eine schlimmere Krise auslösen als dieses Virus…

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