Europa kapituliert vor Visegrad

Ausgerechnet Polen. Ausgerechnet das EU-Land, das die höchsten Nettozahlungen aus Brüssel kassiert, sprengt den europäischen Zusammenhalt.

So könnten die Vereinigten Staaten von Europa aussehen. Doch die Visegrad-Staaten wollen nicht Europa, sondern nur das europäische Geld. Foto: Apcbg / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Ja, ja. Die EU will den berühmten Artikel 7 der Europäischen Verträge ziehen und ein Verfahren gegen Polen einleiten. Die polnische Justizreform wird als undemokratisch betrachtet und deswegen soll Polen sanktioniert werden. Die möglichen Strafen für uneuropäisches Verhalten sind drakonisch und können bis hin zum temporären Verlust des Stimmrechts in den Institutionen gehen. Doch ist dieses Verfahren reine Augenwischerei und im Grunde nicht mehr und nicht weniger als die Bankrotterklärungen der europäischen Institutionen. Polen und seine Freunde aus den Visegrad-Staaten sprengen gerade die europäische Idee. Von der sie selbst am meisten profitiert haben.

In vielen Fragen, bei denen es um so etwas wie „Werte“ geht, haben Polen und die anderen Visegrad-Staaten (Ungarn, Tschechien und die Slowakei) Europa bereits ausgehebelt. In der Flüchtlingsfrage haben diese vier Staaten ein geradezu jämmerlich egoistisches Verhalten an den Tag gelegt und nun verlassen die Polen, unter dem Beifall ihrer zentraleuropäischen Freunde, auch noch den Pfad der demokratischen Rechtsstaatlichkeit.

Das Verfahren nach Artikel 7, das zu Sanktionen gegen Polen führen soll, kann man sich auch schenken. Aus Warschau tönte es unmittelbar nach Ankündigung dieses Verfahrens sehr arrogant zurück – „Es wird keine Sanktionen geben, Ungarn wird diese nie unterschreiben“. Das klingt nach einem stolz gereckten politischen Mittelfinger.

Die Europäische Union, das merkt man gerade deutlicher als je zuvor, ist ein zahnloser Papiertiger, der nicht in der Lage ist, seine eigenen Mitglieder auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Doch sollten wir nicht einfach zusehen, wie vier von Populisten geführte Länder Zentraleuropas die europäische Idee ad absurdum führen. Immerhin können diese vier das britische Beispiel imitieren und den Verein, dessen Werte ihnen nicht passen, einfach verlassen. Bye, bye, Visegrad.

Doch die Europäische Union zu verlassen, das steht nicht auf der Agenda der Visegrad-Staaten. Sie wären ja auch schön blöd, ihre fetteste Milchkuh stehen zu lassen. Polen kassiert jährlich rund 10 Milliarden Euro aus EU-Mitteln und genau hier sollte man ansetzen und eben den Hahn zudrehen.

Da die in den EU-Verträgen festgelegten Mittel nicht ausreichen, um ein EU-Mitgliedsland tatsächlich sanktionieren zu können, sollte man eben jetzt zur Euro-Keule greifen. Wenn der Geldfluss aus Brüssel versiegt, erinnern sich die Polen und die anderen Visegrad-Staaten wieder, warum sie einst so scharf darauf waren, Mitglied des „Club Europa“ zu werden, dessen Werte ihnen gerade so sehr gegen den Strich gehen.

Europa ist kein Supermarkt. Und Warschau, Budapest, Prag und Bratislava werden Europa auch nicht in einen solchen umbauen. Wenn ihnen Europa nicht gefällt, kein Thema – dann sollen sie gehen. Und wenn sie das auch nicht wollen, weil ihnen die EU so viele finanzielle Vorteile bringt, dann sollte man ihnen eben das Taschengeld streichen, bis sich in den Visegrad-Staaten etwas ändert. Ansonsten dürfen sie gerne einen „Warschauer Pakt 2.0“ ins Leben rufen. Vielleicht mit Großbritannien?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste