Frankreich aktiviert die höchste Terror-Warnstufe

Frankreich hat die höchste Stufe des Notfallplans „Vigipirate“ ausgerufen, „Urgence Attentat“. Dies führt zu einigen Veränderungen für die Franzosen.

Fahrzeuge mit einem solchen Aufkleber wird man jetzt öfters in Frankreich sehen. Foto: Ominae / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Welt ist in großer Unruhe. Krieg in der Ukraine, Krieg in Gaza, Krieg im Ost-Kongo, Attentat in Moskau und die Eskalation geht täglich weiter. Dass plötzlich auch wieder der islamistische Terror auf den Titelseiten steht, ändert die Lage. Als Reaktion hat Frankreich seine höchste Terror-Warnstufe ausgerufen, „Vigipirate – Urgence Attenat“. Übersetzen muss man das wohl nicht mehr…

Diese selten in Kraft gesetzte, höchste Terror-Warnstufe wird nur dann aktiviert, wenn gerade ein Attentat stattgefunden haben oder die Behörden über Hinweise verfügen, dass ein Attentat unmittelbar bevorsteht. Dabei haben die Behörden die Möglichkeit, diese Warnstufen für bestimmte Gebiete oder aber für ganz Frankreich zu aktivieren, wobei Letzteres nun der Fall ist.

Rund 300 Maßnahmen stehen den Sicherheitskräften auf dieser Warnstufe zur Verfügung, angefangen von stichprobenmäßigen Taschenkontrollen über verstärkte Polizeipräsenz in der Nähe von Schulen, Kirchen, Moscheen und Synagogen und in öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zum Einsatz Tausender „Sentinelles“, Wachsoldaten, die in größeren Gruppen und schwer bewaffnet durch die Innenstädte patroullieren.

Viele Franzosen stellen sich heute die Frage, wie konkret die Gefahr terroristischer Anschläge momentan wirklich ist oder ob es sich hier um eine Art „Übung“ für die Olympischen Spiele handelt, bei denen mehr als 80 % der Franzosen in Umfragen fürchten, dass es während dieser Zeit in Paris zu Attentaten kommen könnte. Denn auch, wenn während der Olympischen Hochsicherheits-Spiele rund 45.000 Polizisten und Soldaten zum Einsatz kommen sollen, dürfte es nur schwer möglich sein, entschlossene Terroristen davon abzuhalten, zur Tat zu schreiten.

Wie angespannt die Lage in Frankreich wirklich ist, zeigte sich gestern in den französischen Schulen. Fast im ganzen Land gab es Bomben- und Attentatsdrohungen, Intranets der Schulen wurden gekapert und alleine im Departement Bas-Rhin mussten 15 Schulen evakuiert werden (in Lothringen sogar 20). Angesichts des Umstands, dass viele Internet-Systeme von Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen und anderen Strukturen gekapert wurden und Kriminelle seitdem die Nutzer dieser Systeme mit drohenden Nachrichten überschwemmen, muss man sogar damit rechnen, dass diese Welle an Drohungen noch lange nicht vorbei ist. Und natürlich hofft man, dass es sich nur um Trittbrettfahrer handelt und keine Aktionen auf diese Drohungen folgen.

Das Beispiel Moskau sollte zeigen, dass es selbst in einem repressiven Polizeistaat und trotz entsprechender Warnungen nicht vollständig möglich ist, Terroristen von ihrem Handeln abzuhalten. Wenn man dazu bedenkt, dass in den letzten Jahren die schlimmsten Anschläge in Frankreich von Terroristen begangen wurden, die entweder in Frankreich aufgewachsen waren oder aus dem benachbarten Belgien stammten, kommt das Gefühl auf, dass der „Feind“ bereits im eigenen Haus sitzt. 20.000 Menschen stehen in Frankreich in einer Gefährder-Datenbank (Fichés S), von denen mehreren Tausenden zugetraut wird, zur Tat zu schreiten. Die Überwachung dieser potentiellen Gefährder ist in der Praxis nur sehr beschränkt möglich, was man auch daran erkennt, dass immer wieder Anschläge von Personen verübt werden, die in dieser Datenbank stehen.

Faktisch dürfen die französischen Ordnungskräfte jetzt deutlich mehr als zuvor, die Stufe „Vigipirate – Urgence Attentat“ gibt ihnen die rechtliche Handhabe für praktisch alle Maßnahmen, die der Gefahrenabwehr dienen sollen.

In der Tat ist die Aktivierung dieser höchsten Sicherheitsstufe ungewöhnlich, vor allem, wenn ein Attentat nicht in Frankreich, sondern weit entfernt in Russland stattgefunden hat. Und damit wird die Sorge vor Terror in Frankreich immer greifbarer und in einer Grenzregion wie unserer wird man das auch deutlich merken. Auch, wenn die Wahrscheinlich gering ist, dass Terroristen aus dem Ausland einsickern (Terroristen, die Anschläge in nährerer Zukunft in Frankreich planen, sind längst da), wird es aller Voraussicht nach auch zu Kontrollen an den Grenzen und in Verkehrsmitteln wie Zügen oder selbst der Tram zwischen Frankreich und Deutschland kommen.

Die Präsenz von Ordnungskräften an neuralgischen Punkten wie Flug- und Bahnhöfen wird verstärkt werden, Fernreisebusse dürften besonders sorgfältig kontrolliert werden und generell zieht ein Klima der Angst im Land auf.

Natürlich kann man nur hoffen, dass alles friedlich bleibt, doch steigt die Anspannung immer weiter. Es wäre vielleicht nicht schlecht, würde die Regierung die Aktivierung dieser Terror-Warnstufe erläutern, denn der reine Umstand, dass ein schlimmer Anschlag im weit entfernten Moskau stattgefunden hat, rechtfertigt die Aktivierung dieser Stufe eigentlich noch nicht.

Man wird die Entwicklung in den kommenden Tagen abwarten müssen, vielleicht sieht man dann etwas klarer. Allerdings steigt täglich in der französischen Bevölkerung das Unbehagen, dass man mitten in diese chaotischen und gefährlichen Zeiten hinein unbedingt Olympische Spiele durchziehen muss und dabei noch nicht einmal in der Lage ist, russische und belarussische Sportler auszuschließen. Die Zeiten werden tatsächlich immer verrückter…

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