Frankreich: Der V. Republik geht die Puste aus

Die französische Demokratie liegt am Boden und diejenigen, die gerade an der Macht sind, drücken den Franzosen ihren Willen auf. Lange geht das nicht mehr gut.

Es ist die Tragödie des Emmanuel M., dass ausgerechnet Charles diese Krone bekommen hat und nicht er... Foto: Cyril Davenport (1848 - 1941) / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die Franzosen sind sauer und das zurecht. Die Demokratie wird im Land der Menschenrechte mit Füssen getreten, mit verfassungstechnischen Hütchenspieler-Tricks wird verhindert, dass sich die gewählten Kammern (Senat und Nationalversammlung) zur inzwischen bereits in Kraft getretenen Rentenreform äuβern können und mit einer parlamentarischen Demokratie hat das „System Macron“ nichts mehr zu tun. Der Präsident und seine Helfer regieren Frankreich wie in einer absolutistischen Monarchie und bei einem derart anachronistischen System ist es verständlich, dass es den Franzosen reicht.

Die Versuche der handelnden Akteure, die politische Gewalt dieser Rentenreform als „demokratisch“ zu verkaufen, ist ein schlechter Witz. Die Art und Weise, in der die „Macronie“ ihre Vorhaben durchsetzt, inzwischen mit der Unterstützung der „Les Républicains“, deren Chef Eric Ciotti die einmalige Chance verpasst hat, die Partei als Mitte-Rechts-Alternative zu positionieren, vermutlich in der vagen Hoffnung, selbst noch eines Tages einen Ministerposten zu ergattern, ist einer Demokratie unwürdig und die Franzosen haben das (leider zu spät) gemerkt.

Im Grunde passiert gerade das in Frankreich, was man in anderen Ländern massiv kritisiert. Autokratische Entscheidungen, Gängelung der Bevölkerung und der Umbau der Gesellschaft in einen digitalen Überwachungsstaat – das ist einer Demokratie unwürdig und erinnert eher an diejenigen Systeme, die der Westen seit vielen Jahren heftig kritisiert.

Doch die seit 20 Jahren funktionierende Strategie, die da lautet „wählt mich, sonst bekommt ihr einen oder eine Le Pen“, zieht nicht mehr. Bereits bei der letzten Präsidentschaftswahl verdankte Macron seine sehr knappe Wiederwahl nur einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung und wohl zum letzten Mal dem Schreckgespenst der Familie Le Pen. Doch inzwischen setzt sich in Frankreich der Gedanke durch, dass es jemand anderes kaum schlechter machen kann als Macron mit seinen Helfern und 2027 wird die Strategie „ich oder Le Pen“ nicht mehr greifen, auch wenn der Kandidat 2027 nicht mehr Macron heiβen wird, da die französische Verfassung zum Glück nicht mehr als zwei aufeinander folgende Mandate als Präsident erlaubt.

Prunk und Machtgehabe der französischen Regierung sind völlig aus der Zeit gefallen. In einer modernen Demokratie ist tatsächlich das Volk der Souverän, was in Frankreich definitiv nicht mehr der Fall ist. Frankreich wird von einer Kaste aus Absolventen der Eliteschulen und der Wirtschaft gemanagt, in einer Gemengelage, in der diese Regierung am liebsten das Volk abschaffen würde. Dieser Anachronismus, der Korruption und Machtmiβbrauch Tür und Tor öffnet, kann nur durch eine VI. Republik abgeschafft werden, mit der Frankreich mit mehreren Jahrzehnten Verspätung endlich das Tor zum 21. Jahrhundert aufstoβen muss.

Doch letztlich ist das demokratische Versagen dieses Präsidenten und seiner Regierung eine riesige Chance für die anderen Parteien. Diese haben nun vier Jahre, um echte politische Alternativen zu entwickeln und das Ziel VI. Republik anzustreben. Die Parteien müssen endlich mit ihrer elenden Nabelschau aufhören und wieder anfangen, im Interesse der Franzosen zu arbeiten. Dann klappt’s auch mit den Wählern…

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