Frankreich jubelt über ein Gerichtsurteil

Der Bürgermeister von Levallois-Perret, Nobelvorort von Paris, ist wegen Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft verurteilt und im Gerichtssaal festgenommen worden. Frankreich ist begeistert.

Für Patrick Balkany stehen die Ampeln inzwischen nicht mehr auf Grüne... Foto: Matt92300 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Patrick Balkany ist wohl einer der größten Unsympathen Frankreichs. Jahrzehntelang führte er mit seiner Frau Isabelle das Rathaus von Levallois-Perret wie ein kleiner Fürst, mit unsäglicher Arroganz und nebenbei füllte sich das Paar auch noch die Taschen. Ein echter Vertreter einer Politikerkaste, gegen die gerade halb Frankreich auf die Straße geht. Dass er, nachdem er jahrelang die verschiedenen Verfahren gegen sich und seine Frau mit jedem verfügbaren juristischen Trick hinausgezögert hat, nun im Gerichtssaal verhaftet und sofort in das Gefängnis „La Santé“ eingeliefert wurde, befriedigt den Hass, den die Franzosen nicht ganz zu Unrecht gegen ihre Politiker hegen, ist aber juristisch als äußerst scharf einzuordnen. Wie ein Bauernopfer, mit dem von den zahllosen anderen Skandalen in und um diese Regierung herum abgelenkt wird.

Angesichts der Tatsache, dass der Mann gegen das Urteil noch Berufung einlegen kann und wird, ist seine Verhaftung im Gerichtssaal sehr ungewöhnlich, zumal die Begründung der Fluchtgefahr schwach klingt, angesichts der Tatsache, dass sich das Ehepaar Balkany nicht ein einziges Mal einer Verhandlung entzogen hat. Sei’s drum, seit Freitag gibt es in Frankreich nur noch ein Thema, über das mehr oder weniger hämisch berichtet wird – vier Jahre für Balkany und drei Jahre für seine Frau, die allerdings aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht sofort in Haft genommen wurde.

Isabelle Balkany macht nun auch brav das, was man wohl von ihr erwartet: Sie gibt weiterhin die arrogante Betrügerin. Für eine Inhaftierung zu krank, gab sie bereits am Tag nach dem Urteil Interviews in Serie und kündigte an, trotz des im (noch nicht rechtskräftigen) Urteil verfügten Entzugs des passiven Wahlrechts, die Nachfolge ihres nun verhinderten Gatten als Bürgermeisterin von Levallois-Perret antreten zu wollen, sie sei ja schließlich als stellvertretende Bürgermeisterin praktisch im Obligo. Zu krank für die Inhaftierung, aber nicht krank genug, um Bürgermeisterin zu sein? Somit geht die „Saga Balkany“ weiter und man könnte auf den Gedanken, dass dies nicht ganz zufällig geschieht.

Denn wie von Zauberhand sind nun die ganzen anderen Skandale rund um französische Politiker von den Titelseiten verschwunden und das dürfte in Paris gerade dem einen oder anderen sehr Recht sein. Nur einen Tag vor dem Balkany-Prozess beherrschte jemand anderes die Schlagzeilen – der Präsident der französischen Nationalversammlung Richard Ferrand, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsnahme eröffnet wurde. Bestritten hat er bis heute nicht, dass er im Rahmen seiner Ämter seiner Frau eine Immobilie im Wert von 400.000 € zugeschanzt hat und immerhin ist es das erste Mal in der Geschichte der V. Französischen Republik, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Präsidenten der Nationalversammlung eröffnet wird. Seltsamerweise weigert sich Ferrand, sein Amt zumindest ruhen zu lassen und ebenso seltsamerweise stellte sich sofort die Regierungsmannschaft hinter Ferrand – in anderen Ländern wäre so etwas schlicht nicht denkbar. Vor allem, nachdem Premierminister Edouard Philippe bei Amtsantritt noch angekündigt hatte, dass jeder Minister, gegen den ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird, sofort aus dem Amt geworfen würde. Nun ist Ferrand zwar nicht Minister, aber als Nummer 4 des französischen Staats eigentlich noch exponierter als ein Minister.

Angesichts des Wirbels um Balkany spricht auch niemand mehr über François de Rugy, über François Fillon, über Nicolas Sarkozy, über Alexandre Benalla und wie sie alle heißen. Die Reihe der Skandale reißt einfach nicht ab, und nachdem Präsident Macron eine neue „Moral in der Politik“ und Transparenz angekündigt hatte, stellen die Franzosen fest, dass der Pariser Filz selten so gut funktioniert hat wie in Macrons „Neuer Welt“.

Nicht, dass Patrick und Isabelle Balkany ihre Strafe nicht verdienen würden, sie haben sich über Jahrzehnte massiv und vor allem illegal bereichert und mit ihrer unsäglichen Arroganz auch die Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht. Doch zumindest ein Teil der Genugtuung, die Frankreich gerade angesichts der Tatsache übermannt, dass Patrick Balkany im Gefängnis sitzt, ist ziemlich gesteuert. Diese Verurteilung ist auch keineswegs der Beginn eines „Saubermann-Kreuzzugs“ der französischen Politik, sondern eben ein glücklich getimtes Ereignis, das einen großen Schatten über viele, viele andere Dossiers legt, bei denen man alles daran setzt dass ja nicht zu viel Aufmerksamkeit entsteht. Die völlig verkrusteten und undurchsichtigen Pariser Macht-Strukturen wird vermutlich erst die VI. Republik aufbrechen können – der Balkany-Prozess wird dazu nicht ausreichen.

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