Frankreich staunt über seine neue Regierung

Die Regierungsumbildung des neuen Premierministers Gabriel Attal, die natürlich nicht er, sondern sein Chef Emmanuel Macron beschlossen hat, verheißt nichts Gutes...

Stéphane Séjourné - eine steile Karriere vom Lebensabschnittsgefährten zum Aussenminister... Foto: © European Union 2022 - Source: EP / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das große Stühlerücken in der französischen Regierung geht munter weiter. Nach dem Rücktritt der Premierministerin Elisabeth Borne und der Nominierung des 34jährigen Gabriel Attal an ihrer Stelle, wird nun in zwei Schüben auch das Kabinett umgebaut. Doch die „erste Welle“ dieser Kabinettsumbildung hat in Frankreich starkes Stirnrunzeln ausgelöst. Denn die neue Besetzung der Ministerposten hat gleich mehrere Narrative von Emmanuel Macron in die Tonne getreten.

Der Präsident, der seit Jahren mit seiner Taktik „nicht links, nicht rechts“ durchkam, zeigt nun offen und deutlich, dass er klar rechts steht und dass er es mit seiner Ankündigung von 2017, dass sein Team „exemplarisch“ sein soll, nicht so sonderlich ernst gemeint hat.

Zwei der Nominierungen haben in Frankreich besonders viele Reaktionen ausgelöst. Zum einen die Nominierung von Rachida Dati als Kultusministerin, die bereits im Europäischen Parlament und auch in der Nationalversammlung vor allem durch Abwesenheit in den Sitzungen und ihren extrem aggresiven Ton auffiel. Dazu laufen gegen Rachida Dati gerade Verfahren wegen „Korruption“ und „Vorteilsnahme“, was aber Emmanuel Macron nicht weiter stört. Und Rachida Dati störte es auch nicht, dass sie unmittelbar nach ihrer Nominierung aus ihrer konservativen Partei „Les Républicains“ geworfen wurde, nachdem sie lange diejenigen Parteikollegen als „Verräter“ bezeichnet hatte, die sich ebenfalls in die Macronie begeben hatten, in der Hoffnung, dort schneller Karriere machen zu können.

Die zweite Überraschung ist die Ernennung von Stéphane Séjourné zum neuen Außen- und Europaminister. Ein seltsames Geschmäckle hat diese Ernennung nicht etwa deswegen, weil der Europaabgeordnete Séjourné auch erst 38 Jahre alt ist, sondern weil er seit 2017 bis letztes Jahr in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft mit Premierminister Gabriel Attal lebte. Das riecht dann doch stark nach einem Versorgungsposten für den ehemaligen Partner, doch müssen sich die Franzosen auch erst daran gewöhnen, dass sie künftig auf internationaler Bühne von einer jugendlichen Boy Band vertreten werden, die inzwischen nur noch die III. Wahl des Präsidenten darstellen, dem langsam das Personal knapp wird.

Im Amt bleiben die Schwergewichte wie Superminister für Wirtschaft und Finanzen Bruno Le Maire, Justizminister Eric Dupond-Moretti oder Innenminister Gérald Darmanin, die es allerdings gewohnt sind, ihre Befehle direkt vom obersten Boss entgegen zu nehmen und sich wohl kaum vom jungen Premierminister steuern lassen werden.

Ebenfalls überraschend ist die Schaffung eines weiteren „Superministeriums“ für die stockkonservative Catherine Vautrin, die sich künftig um Arbeit, Gesundheit und „Solidarität“ kümmern soll, ein weiteres Zeichen, dass es bei der Besetzung dieser Ministerposten nicht etwa um so Überflüssiges wie Fachkompetenz geht, sondern um Macht und Einfluss.

Ebenfalls in einer Hand sind künftig die Portefeuilles für Bildung, Sport und die Olympischen Spiele zusammengefasst und zwar unter der Leitung von Amélie Oudéa-Castéra. Die kennen Sie nicht? Kein Problem, das geht den meisten Franzosen nicht anders.

Neue Regierungssprecherin wird, nach Olivier Véran, der in den letzten Jahren in allen seinen Ämtern gescheitert war, Prisca Thevenot, die auch Beauftragte für die „Demokratische Erneuerung“ wird, was ein ziemlich seltsamer Job werden dürfte in einem Land, in dem seit geraumer Zeit viele wichtige Entscheidungen unter Umgehung der demokratisch gewählten Institutionen mit dem berüchtigten Paragrafen 49.3 durchgesetzt werden.

Die „zweite Welle“ des Stühlerückens ist für die kommende Woche angekündigt, nachdem sowohl Gabriel Attal, wie auch sein Boss, den Franzosen ihre Politik und die Welt erklärt haben werden. Gleich, wie diese „zweite Welle“ aussehen wird, den Franzosen ist seit Donnerstag eines klar geworden: Die Zeit bis 2027, wenn die Macronie abgewählt werden wird, könnte noch sehr, sehr lang werden. Doch stehen die Chancen hoch, dass diese Jahre wenigstens mehr oder weniger mit dem gleichen Team absolviert werden, denn Macron hat inzwischen ungefähr alles verheizt, was man auf Minister- oder Staatssekretärsposten setzen konnte.

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