Frankreich wird zum Pulverfass

Die Intensität der Proteste gegen das mit Gewalt durchgeboxte neue Arbeitsgesetz nimmt zu. Die französische Regierung zerbröckelt.

Sondereinheiten in Kampfmontur gehören in Paris wieder zum Straßenbild. Foto: Kevin.B / Wikimedia Commons / CC-BS-SA 3.0

(WB) – Waren die Proteste gegen das neue Arbeitsgesetz („Loi El-Khomri“) noch friedlich und zum großen Teil geradezu witzig, ändert sich das Klima in Frankreich gerade. Nachdem die Regierung den seltsamen Paragraphen 49.3 gezogen hat, mit dem sie eine Abstimmung (und ziemlich sichere Niederlage) im Parlament verhindert hat, gehen die Franzosen auf die Barrikaden. Zum einen wehren sie sich gegen den massiven Abbau sozialer Errungenschaften, zum anderen wird das Aushebeln des Parlaments als „Vergewaltigung der Demokratie“ betrachtet. Und schon gibt es Bilder von den ersten Straßenschlachten. Die Götterdämmerung der V. Republik hat begonnen.

Die Regierungsjahre 2012 – 2017 werden in die französischen Geschichtsbücher eingehen. Die sozialistische Regierung hat es geschafft, durch ungeschicktes Agieren das ganze Land gegen sich aufzubringen. Präsident Hollande und sein Premierminister Valls dienen nur noch als Inspiration für Karikaturisten, ihre Reformen gelten durch die Bank als unausgegoren und wirkungslos, die Hauptziele für diese Regierungsjahre (u. a. Senkung der Arbeitslosenzahlen, Energiewende etc.) wurden klar verfehlt und die Franzosen ereifern sich nicht nur über die ausbleibenden Ergebnisse, sondern auch über die Art und Weise, wie die „Linken“ das Land regieren. Das tun diese nämlich genauso wie vor und nach ihnen die „Rechten“.

Da es aufgrund des französischen Wahlsystems keine Opposition gibt, die irgendwie am politischen Prozess beteiligt wäre, verlagern sich die Proteste auf die Straße. Und werden immer gewalttätiger. Die friedlichen Diskussionsrunden der Bewegung „Nuit debout“ gehören schon fast der Vergangenheit an, schwarze Lederjacken, Tränengas und Gummigeschosse zählen wieder zum Straßenbild in Paris.

Doch diese Entwicklung hat nicht etwa zur Folge, dass die französischen Sozialisten, deren Zustimmungswerte nur noch knapp über 10 % liegen, ihre Politik in Frage stellen würden, sondern mit einer guten Portion Starrsinn klammert man sich weiter an den eigenen Plänen fest, die dann mit Sätzen wie „das ist gut für unser Land“ notfalls unter Umgehung des Parlaments durchgesetzt werden.

Die V. Französische Republik scheint tatsächlich ihr Ende zu erreichen, eine Modernisierung des völlig verkrusteten Politiksystems scheint unumgänglich. Die Hauptfrage lautet: Wie werden die Umbrüche stattfinden? Gewaltsam? Durch eine Revolution? Im Konsens und Dialog? Durch Wahlen? Ähnlich wie andere Länder ist auch Frankreich von einem massiven Rechtsruck bedroht. Denn wenn den traditionellen Parteien die Ideen und die Dynamik ausgehen, schlägt die Stunde der Populisten. Und auch, wenn das in Frankreich niemand so richtig wahrhaben möchte – der Front National ist momentan bei weitem die stärkste Partei in Frankreich.

Auf unsere Nachbarn kommen unruhige Zeiten zu…

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