Frankreichs Polizei – Bürger in Uniform?

Frankreichs Polizei verrichtet nur noch die nötigsten Aufgaben. Sie will die Politik erpressen, zwei ihrer Kollegen in Untersuchungshaft freizulassen.

Frankreichs Polizei - Bürger in Uniform oder Prätorianer der Regierung? Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Frankreich manövriert sich immer tiefer in die Krise. Nach zwei Fällen, in denen Polizisten nach einem tödlichen Zwischenfall bei einer Polizeikontrolle und einer schweren Verletzung eines Jugendlichen während eines Einsatzes in Untersuchungshaft genommen wurden, steht die französische Polizei Kopf. „Ein Polizist hat nichts in Untersuchungshaft zu suchen“, schimpfen die Polizeigewerkschaften. Aber warum eigentlich?

„Auch für Polizisten muss die Unschuldsvermutung gelten“, tönt es aus den Reihen der Polizeigewerkschaften, doch diese Aussage geht am Thema vorbei. Denn die Untersuchungshaft ist keine Feststellung von Schuld, sondern eine Maßnahme, die dann verhängt wird, wenn entweder Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr gegeben ist. In den genannten Fällen ist der Grund natürlich die Verdunkelungsgefahr, sprich, die Absprache von Zeugenaussagen im Kollegenkreis, das Verschwindenlassen von belastendem Material und ähnliches. Da eine solche Manipulation des Verfahrens alles andere als unmöglich ist, ist auch die Untersuchungshaft gerechtfertigt. Dass die französische Polizei nun vehement fordert, dass Polizisten grundsätzlich nicht in Untersuchungshaft genommen werden dürfen, ist eine Ungeheuerlichkeit, die mit dem Konzept „Bürger in Uniform“ nichts mehr zu tun hat.

Offenbar hat man in der französischen Polizei die rechtlichen Umstände vergessen. Natürlich ist es für die Polizisten eine enorme Belastung, dass sie permanent für das Versagen der Regierung als Prügelknaben herhalten müssen, immerhin bereits seit 2018 fast an jedem Wochenende, doch das kann ihnen noch nicht das Recht geben, hemmungslos zu prügeln und, wie in Nanterre, zu töten.

Die Regierung muss jetzt sehr aufpassen – denn mit der Rugby-WM 2023 und den Olympischen Spielen 2024 in Paris stehen zwei Großveranstaltungen auf dem Programm, bei denen Auseinandersetzungen bereits programmiert sind. So haben die Gewerkschaften für die Rubgy-WM Streiks im öffentlichen Nahverkehr angekündigt und auch für die Olympischen Spiele sind Antworten auf die Rentenreform geplant, die von Präsident Macron vorbei an allen demokratischen Institutionen verhängt wurde. Für diese Veranstaltungen, bei denen es wiederum zu Protesten und Auseinandersetzungen kommen wird, ebenso wie bei anderen Gelegenheiten, hätte die Polizei gerne freie Hand, um tun und lassen zu können, was sie will. Dies sollte man allerdings nicht erlauben, denn damit würde sich Frankreich auf den Status einer südamerikanischen Bananenrepublik begeben.

Auch Polizisten müssen sich an Gesetze halten, auch Polizisten dürfen keine Körperverletzungen und Totschlag begehen. Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt allerdings letztlich bei dem völlig überforderten Innenminister Darmanin, denn die Befehlskette der Polizei endet bei ihm. Wenn die Polizisten die Anweisung zum rigorosen Einsatz von Gewalt erhalten, dann halten sie sich auch daran. Schwierig, in solchen Situationen zwischen hartem, aber legalen Einsatz und strafrechtlich relevanten Taten zu unterscheiden.

Es geht nicht darum, mit dem Finger auf die Polizei zu zeigen. Allerdings geht es darum festzuhalten, dass das seit Jahren andauernde Versagen dieser Regierung genau diejenigen Proteste auslöst, bei denen es zu diesen Überschreitungen des rechtlich Zulässigen kommt. Und nun müssen die Polizisten auch noch den Kopf bei den Personality Shows des Präsidenten bei Rugby-WM und Olympischen Spielen hinhalten. In der aktuellen Situation, die in Frankreich nicht angespannt, sondern geradezu explosiv geworden ist, ist die Organisation dieser beiden Veranstaltungen hochgradig verantwortungslos – kein Wunder, dass die Polizei keine Lust mehr hat, die Rolle des Prügelknaben dieser Regierung zu übernehmen.

Streiken dürfen Polizisten nicht, also machen sie nur noch Dienst nach Vorschrift, auf Anweisung ihrer Gewerkschaften, die ihre Mitglieder auffordern, nur noch in Notfällen einzugreifen, und zwar so lange, bis ihre in Untersuchungshaft sitzenden Kollegen freigelassen werden. Dies ist ein unzulässiger Versuch, Politik und Justiz zu erpressen. Es gibt keinerlei Grund, warum ein Polizist, der sich strafbar macht, nicht in Untersuchungshaft genommen werden sollte. Ein genereller Freifahrtschein für prügelnde und schießende Polizisten würde Frankreich auf dem Weg in den „digitalen Totalitarismus“ weiterführen, den inzwischen sogar schon die konservative Neue Zürcher Zeitung (NZZ) in Frankreich ausgemacht hat.

Es wäre richtiger, in dieser angespannten sozialen Gemengelage auf die Ausrichtung dieser beiden kommenden Großveranstaltungen zu verzichten. Doch da der französische Präsident beabsichtigt, sich bei diesen Veranstaltungen unsterblich zu machen, wird man nicht darauf bauen können, dass sich in Paris die Vernunft durchsetzt. Die Lage in Frankreich ist angespannt und das Pulverfass kann nach wie vor jederzeit explodieren.

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