„Wir sind im Krieg“

Emmanuel Macron verordnet ganz Frankreich 15 Tage Quarantäne. Ab heute um 12h herrscht in ganz Frankreich Ausgangssperre und der Präsident kündigt weitere Maßnahmen an.

Der französische Präsident erklärte gestern dem Coronavirus den Krieg... Foto: ScS EJ

(KL) – Ausgangssperre unter Strafandrohung, das ist etwas, woran man sich schnell gewöhnen muss. Denn diese Ausgangssperre gilt bereits ab heute 12h in ganz Frankreich. Die Modalitäten wurden in der Nacht noch festgezurrt und veröffentlicht werden. Ausgang gibt es nur zum Einkaufen von Lebensmitteln, Arztbesuche und zum Gang zur Arbeit, wenn Heimarbeit nicht möglich ist. Und man darf auch mal zwischendurch an die frische Luft, aber alleine, ohne Sozialkontakte. Aber das ist natürlich nicht alles.

Emmanuel Macron verkündete, worauf man sich wohl am Morgen auf europäischer Ebene geeinigt hatte – die EU-Außengrenzen werden für 30 Tage geschlossen. Was Macron nicht sagte, ist ob die Schließungen der Binnengrenzen weiter aufrecht erhalten werden. So ungeheuerlich das alles klingt, die jüngsten Erfahrungen in China haben gezeigt, dass diese radikale Quarantäne tatsächlich ermöglicht, die Verbreitung des Virus zu bremsen und eventuell sogar zu stoppen.

Dazu annullierte der französische Präsident den zweiten Wahlgang der Kommunal- und OB-Wahlen, der eigentlich am Sonntag hätte stattfinden müssen und kündigte ein neues Gesetz an, wie mit dieser Situation umzugehen sei. Was das genau bedeutet, ist noch unklar. Da er von einem neuen Gesetz sprach, kann er eigentlich nicht die Aktivierung von Artikel 16 meinen, mit dem der Präsident in Ausnahmefällen die komplette Kontrolle über das Land nehmen kann. Das neue Gesetz, soviel verriet Macron, soll ihm ermöglichen, per Dekret, also Verordnung zu regieren. Gleichzeitig betonte Macron aber auch, dass alle aktuelle Reformvorhaben, insbesondere die heftigst umstrittene Rentenreform, bis zur Überwindung der Krise auf Eis gelegt werden – was ebenfalls bedeutet, dass er nicht die „Gunst der Stunde“ nutzen wird, um diese ungeliebte Reform schnell per Dekret durchzudrücken. Wie es genau mit dieser Wahl weitergehen wird, ist noch unklar, allerdings ist die Absage dieser Stichwahl die einzig richtige Entscheidung, denn man kann nicht einerseits die Bevölkerung daheim unter Quarantäne stellen und sie dann am Sonntag erneut an den Urnen versammeln und dringend benötigte Ausrüstung wie Masken oder Handgel in die 77.000 Wahllokale verlagern, während sie in den Krankenhäusern fehlen.

Auf wirtschaftlicher Ebene macht Macron ebenfalls das einzig Richtige – er kündigt an, 300 Milliarden Euro in Rettungs- und Stützungsprogramme für die französischen Unternehmen zu stecken, „gleich, welcher Größe“ und die Losung lautet „kein Arbeitsplatz soll verloren gehen“ – Stundungen von Steuern, laufenden Kosten, Sozialabgaben für die kleineren Unternehmen, unbürokratische Erleichterungen bei Kurzarbeit, wo der Staat sich finanziell stark engagieren will – denn „wir sind im Krieg“.

Angesichts der realen Bedrohung durch dieses Coronavirus versammelt Macron die Nation gegen einen gemeinsamen Feind. Hierfür legt er alle sozialen Konflikte im Land aus Eis, was er bereits in seiner Ansprache am letzten Donnerstag angedeutet hatte. Natürlich hat er Recht – wenn das Coronavirus erfolgreich bekämpft werden soll, erfordert dies eine große Disziplin der Bevölkerung.

Politisch dürfte Macron damit seinen letzten Trumpf ziehen. Die Verschiebung des zweiten Wahlgangs impliziert (es sei denn, die Regierung pusht morgen ein Gesetz durch, das etwas anderes besagt) auch die Annullierung des ersten Wahlgangs, in dem Macrons Partei LREM praktisch überall schwere Verluste einstecken musste, vor allem in den großen Städten. Wenn er nun die Coronakrise gut managt, könnte das seine letzte Chance sein, bei der Wahlwiederholung ein paar Punkte gutzumachen. Aber das ist, angesichts der aktuellen Lage, nebensächlich.

Heute um 12 Uhr wird es still werden in Frankreich. Und jeder und jede wird sich ein Programm ausdenken müssen, wie diese (verlängerbare) Zeit sinnvoll ohne soziale Kontakte auszufüllen ist.

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