Und das ist wohl leider erst der Anfang…

Seit Mitte Juli sind in Frankreich mehr als 20 Impfzentren Zielscheibe von Angriffen, Zerstörungen, Graffitis und anderem geworden. Es wird immer schlimmer.

Unglaublich - in Frankreich sind inzwischen über 20 Impfzentren angegriffen worden. Foto: GilPe / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Eine tief gespaltene französische Gesellschaft steht am Anfang einer Welle der Gewalt. Beide Seiten, sowohl die Nicht-Geimpften als auch die Geimpften, sind in eine Spirale der Gewalt eingestiegen, gegen die nicht etwa gegengesteuert, sondern die von beiden Seiten immer weiter befeuert wird. Aus der seit Wochen herrschenden verbalen Gewalt wird nun auch physische Gewalt. Noch richtet sich diese Gewalt, was schlimm genug ist, gegen Impfzentren, doch wohin führt die nächste Eskalationsstufe?

Einbrüche, Sachbeschädigungen, Diebstähle und sogar ein Brandanschlag auf ein Impfzentrum, das ist die nüchterne Bilanz der letzten drei Wochen in Frankreich. Mehr als 20 dieser Zentren haben solche Zwischenfälle erlebt und in nur drei Wochen hat es Präsident Macron geschafft, die Franzosen derart gegeneinander aufzuhetzen, dass man in den kommenden Wochen mit dem Schlimmsten rechnen muss. Dies mag für den Präsidenten nützlich sein, da er sich endlich als der „starke Mann“ darstellen kann, der er gern sein möchte, doch führt er sein Land gerade in eine höchst gefährliche Richtung.

Dass sich Geimpfte und Nicht-Geimpfte gegenseitig beleidigen, beschimpfen, für die Pandemie verantwortlich machen, daran hat man sich seit drei Wochen gewöhnt. Doch dass nun diese verbale Gewalt in offene Gewalt umschlägt, das ist etwas, das man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Diskussionen zum Thema Covid sind mittlerweile sinnlos geworden, da beide Seiten nur noch mit hohlen Slogans um sich werfen, zu denen es nichts zu diskutieren gibt. Während einerseits medizinisch völlig Ahnungslose immer wieder Mantra-artig „Die Impfungen sind der einzige Weg aus der Krise“ wiederholen, obwohl sich die Berichte häufen, dass die Impfstoffe gegen neue Varianten weitgehend wirkungslos sind und bereits wenige Wochen nach erfolgter zweiter Impfung eine dritte erforderlich ist, beharren die Impfgegner auf allen möglichen skurrilen und weniger skurrilen Theorien, die ebenso an den Realitäten vorbeigehen wie die Slogans, mit denen sich die Geimpften in erster Linie selbst zu beruhigen versuchen.

Was gerade stattfindet, ist eine Entwicklung und diese ist in Frankreich gefährlicher als anderswo. Mit Sorge blickt man auf die nächsten Samstage, an denen, dieses Mal bei gutem Wetter, in ganz Frankreich Demonstrationen angekündigt sind, deren Zulauf ständig weiter wächst. Der nächste Samstag wird bereits kritisch werden, denn dann haben die Franzosen die erste Woche der neuen Regelungen in der Praxis erlebt und wenn dann in den kommenden Wochren die Sommerferien vorbei sein werden, muss man damit rechnen, dass die Demonstrationen noch einmal an Intensität und Zulauf zunehmen werden.

Und dann? Dann kommt es zu offenen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und den Ordnungskräften. Doch was passiert, wenn das eintritt, was glücklicherweise bei den „Gelbwesten“-Demonstrationen nicht eingetreten ist – dass beispielsweise bei diesen Demonstrationen Menschen ums Leben kommen? Die französische Regierung sitzt auf einem Pulverfass und spielt mit Streichhölzern, in der Hoffnung, dass ihr das Wählerstimmen bringt.

Auch in anderen Ländern werden die verschiedenen Maßnahmen diskutiert. Auch in Deutschland werden die kostenlosen Tests abgeschafft, da es wohl tatsächlich nur noch in zweiter Linie darum geht, diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch in anderen Ländern wird der Impfzwang diskutiert, auch in anderen Ländern werden die Nicht-Geimpften vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Doch nirgendwo anders verläuft diese Diskussion derart konfliktuell wie in Frankreich. Der Bruch durch die Gesellschaft wurde künstlich befeuert, die beiden Bevölkerungsgruppen werden gezielt gegeneinander aufgehetzt. Nur – wenn sich die Gewalt der französischen Straße bemächtigt, ist der „point of no return“ bereits überschritten und offenbar gibt es keinerlei Plan, die französische Gesellschaft wieder zu befrieden.

Aufrufe, zur Vernunft zurückzukehren, werden inzwischen von beiden Seiten höhnisch abgetan, die Konfrontation nimmt weiter ihren Lauf. Für Diskussionen ist kein Platz mehr. Es wird Zeit, die Gefahr einer gewalttätigen Entwicklung beim Namen zu nennen, statt sich gegenseitig dafür verantwortlich zu machen. Denn wenn diese Gewalt aus dem Ruder läuft, werden wir uns alle wünschen, dass wir es „nur“ mit einem Virus zu tun hätten. Wenn das Pulverfass erst einmal explodiert ist, dürfte es ziemlich schwer sein, die einzelnen Teile zusammenzusuchen und das Fass wieder zu kitten…

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