Immer wieder von Neuem – 35. Festival MUSICA

Das MUSICA-Festival Nr. 35 beginnt am Donnerstag in Straßburg mit dem großen Auftaktkonzert des Kammerorchesters Lausanne im PMC – es folgen über zwei Wochen neue und immer wieder neuste Musik auf höchstem Niveau.

Schon zum 35. Mal findet in Strasbourg das Festival MUSICA statt. Foto: Veranstalter

(Von Michel Magercord) – Musik ist immer wieder neu, egal wie alt sie ist. Es ist das Wesen der Musik, immer wieder neu zu sein für jenen, der sie gerade hört. Das Hören von Musik erzeugt in der Zeit, die mit ihr gefüllt wird, ihre eigene Wahrnehmung: Klangfarbe, Tonlage und was man sonst noch alles aus Noten- und Taktfolgen intellektuell extrahieren kann, sorgen für eine ganz individuelle Stimmungslage beim Hörer.

Und es gibt natürlich auch ganz neue Musik, die „Neue Musik“: neue Klangfarben, neue Tonlagen, am besten noch intellektuell extrahierte, deren Vorgabe es ist, neu zu sein. Ist sie aber nicht. Ja, ungehört vielleicht. Mit auf seltsame Weise malträtierten Instrumenten oder auch gar keinen mehr erzeugt wohlmöglich. Und doch: neu ist ihr Wesen nicht. Auch diese Musik erzeugt letztlich nichts anderes, als die ihr und dem Zuhörer eigene Wahrnehmung – nur mit anderen Mitteln.

Die Frage, was neu ist, reduziert sich letztlich auf die Mittel und ihrer Bedienung. Und da gibt es tatsächlich immer wieder reichlich Neues. Um da einen Einblick und Überblick zu behalten, gibt es Festivals wie MUSICA in Straßburg. Nach über dreißig Jahrgängen hat es sich zu einer der bedeutendsten Veranstaltungen für die Ausweitung musikalischer Wahrnehmungsmittel etabliert. Und auch in seinem 35. Jahrgang bietet es wieder Anhörungsmaterial aus vielen Sparten des Neuen.

Zum Auftakt am Donnerstag setzt sich das Festival und seine Besucher gleich einer der ganz großen Fragen des 20. Jahrhunderts aus: kann man nach der Shoah Musik komponieren ohne zu weinen und zu zittern? Das Kammerorchester aus Lausanne wird Michael Levinas „Die Passion nach Markus, eine Passion nach Auschwitz“ aufführen. Am Freitag folgt dann mit der Oper „Kein Licht“ die Apokalypse und Weltuntergang, und am Samstag noch „Die Passion nach Sade“ von Sylvano Bussotti aus dem Jahre 1965.

Danach folgen noch zwei Wochen neuer Musik, wobei aber auch gelacht werden darf: ganz genüsslich etwa im Kino, wenn die Komödie „die Puppe“ von Ernst Lubitsch vertont wird, oder heimlich über so manche kompositorische Kapriole bei den immerhin 93 Einzelwerken, von denen 22 auch noch Welturaufführungen sind. Denn eines bleibt wie’s mit dem Neuen nun einmal ist, bei all den Veranstaltungen darf man nämlich aufs Neue das tun, was Musikhörer schon immer taten: der eigenen Stimmung erliegen, die das Gehörte auslöst. Fröhlich und heiter, angespannt und besorgt, intellektuell und abgehoben, tiefgesinnt und berührt, genervt und verstimmt – alles ist möglich, egal ob Instrumente oder Notebooks dafür sorgen. Nur eines will nicht funktionieren: sich zu langweilen. Einfach, weil die Zeit, die Musik mit gefüllt wird, nie leer ist.

MUSICA, von 21. September bis 7. Oktober an unterschiedlichen Spielstätten in Straßburg

Informationen zum Programm, Orten und Tickets: www.festivalmusica.org

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