In Kobane verabschiedet sich die Türkei von Europa

Recep Erdogan disqualifiziert sich im IS-Konflikt für die Zusammenarbeit in westlichen Bündnissen. Wer sich mit IS-Terroristen gemein macht, hat in Europa nichts verloren.

Hier in Kobane schlägt die Türkei gerade die Tür nach Europa zu und macht sich mitschuldig am Tod Tausender. Foto: Karl-Ludwig Poggemann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Die Türkei trägt ein gerüttelt Maß Verantwortung an dem, was gerade den Kurden und Jesiden in Nordsyrien angetan wird. Denn während die westliche Welt fieberhaft versucht, den Völkermord der barbarischen IS-Terroristen zu stoppen, schaut Erdogan lächelnd zu, wie die IS mordet und Landgewinne verbucht – denn somit meint Erdogan, das „Kurdenproblem“ zu lösen. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass die Türkei die IS-Schlächter sogar tatkräftig und logistisch unterstützt. Zum Beispiel durch Luftangriffe der türkischen Luftwaffe auf Kurdengebiete. Auf die IS hat die türkische Armee noch keinen Schuss abgefeuert.

Der Zynismus des türkischen Präsidenten ist ebenso schlimm wie die Gräueltaten der IS selbst. Wer kriminelle Banden unterstützt, die auf archaische Art und Weise töten, durch die Veröffentlichung von Bildern dieser Abschlachtungen die Welt in Angst und Schrecken versetzen, Frauen systematisch vergewaltigen und als „Kriegsbeute“ in die Sklaverei verkaufen, der steht in einem Lager, das mit Europa und den Werten einer laizistischen Demokratie nichts zu tun hat. Verwunderlich ist, dass kein Aufschrei der Empörung in der Türkei laut wird, angesichts der Tatsache, dass Erdogan die heiligsten Prinzipien von Staatsgründer Kemal Atatürk verletzt.

Der Konflikt zwischen der Türkei und den auf türkischem, irakischen und syrischen Gebieten lebenden Kurden ist alt, sehr alt. Und ähnlich schwierig und unmöglich zu lösen wir der Konflikt um Palästina. Dennoch scheint Erdogan nicht begriffen zu haben, dass nach einem längeren Waffenstillstand zwischen der kurdischen PKK und der Türkei die aktuelle Bedrohung sicher nicht von den Kurden ausgeht, sondern von den Mörderbanden der IS. Oder aber, was noch schlimmer wäre, Erdogan begrüßt die Ausweitung des „Kalifats“ und macht tatsächlich gemeinsame Sache mit einer Terroristengruppe, gegen die Al-Kaïda so gefährlich wirkt wie ein Schulausflug. In beiden Fällen ist die Türkei Erdogans nicht einmal mehr theoretisch ein denkbarer Partner Europas und der westlichen Welt.

Der Verrat am kurdischen Volk und die Bombardierung kurdischer Gebiete hat eine historische Dimension, denn dieses Verbrechen an der Menschlichkeit werden die Kurden, aber auch andere Völker der Welt auf lange Jahre nicht vergessen. Erdogan ist dies egal. Seit geraumer Zeit wird ohnehin deutlich, dass sich seine Interessen mehr und mehr in Richtung der neuen BRICS-Staaten bewegen, was wenig verwunderlich ist, leben doch in zahlreichen ehemaligen GUS-Staaten so genannte „Turk-Völker“, deren Sprache, Kultur und Religion auf der ottomanischen Kultur aufbauen. Angesichts der heran nahenden Neuordnung der Welt, in der die Kombination BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) weltweit mehr Einfluss haben wird als jeder andere Staatenbund, scheint Erdogan sich gerade neu zu orientieren. Indem er den Kurden mit Luftangriffen und dem Westen durch seinen Verrat in den Rücken fällt.

Nach wie vor ist die Türkei das Transitland Nummer 1 für verstörte junge Moslems aus europäischen Ländern, die sich von den fanatischen Anwerbern der IS verführen lassen. Dabei schaut die Türkei zu, greift nicht ein und unterstützt somit faktisch den IS und seine blutrünstigen Terroristen.

Damit werden für die Türkei weitere Beitrittsverhandlungen mit der EU hinfällig. Es war sicher ein Fehler, die Türkei nicht früher in die EU zu integrieren und Länder wie Polen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, mit ihrem katholischen Fundamentalismus ernsthafte Beitrittsgespräche verhindert zu haben. Die Quittung dafür bekommen heute die Kurden in Kobane und anderen Orten. Und natürlich hat die zynische US-Politik in der arabischen Welt zu der unguten Entwicklung beigetragen, die sich heute wie ein Vulkan entleert. Doch angesichts der Taten der IS sind das Themen, die zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden müssen.

Die Welt polarisiert sich gerade und niemand wird um eine klare Positionierung herumkommen. Die Türkei hat das Lager des IS und des fanatischen Kalifats gewählt, das die Welt mit Vollgas ins Mittelalter zurückführen will und dabei alles negiert, was sich die Welt in Jahrhunderten erarbeitet hat – und hat damit sowohl die Tür nach Europa für Jahrzehnte verschlossen, als auch dafür gesorgt, dass dieser Krieg mit seinen mörderischen Gemetzeln lange, lange dauern wird.

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