Ist Europa wirklich noch ein Hort des Friedens?

Bei der Gründung der europäischen Institutionen kurz nach dem II. Weltkrieg ging es vor allem um eines: Frieden. Doch auf europäischem Boden werden wieder Kriege ausgetragen.

Ist es wirklich DAS Europa, das wir wollen? Hatten wir das nicht alles schon mehrmals? Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Europa ist kein Hort des Friedens mehr. Während sie diese Zeilen lesen, wird in Europa geschossen und gestorben, sorgt die EU dafür, dass Menschen im Mittelmeer bei dem Versuch sterben, ihr Leben zu retten und als ob das nicht ausreichen würde, führt die EU auch noch Wirtschaftskrieg gegen eigene Mitgliedsstaaten, deren Regierung der Union nicht konservativ genug ist. Doch wundern sich die Verantwortlichen immer noch darüber, dass ihnen die Menschen in Europa nicht Hurra-schreiend hinterher laufen.

In der Ukraine tobt das, was Präsident Poroschenko inzwischen einen „offenen Krieg“ nennt. Den die EU nicht verhindern konnte, obwohl sich hochrangige EU-Politiker darum bemüht hatten. Mit Serbien werden Beitrittsverhandlungen geführt, obwohl der serbische Präsident gerade mal wieder angemerkt hat, dass sich sein Land so schnell wie möglich das Kosovo zurückholen will, das inzwischen völkerrechtlich von 23 der 28 EU-Mitgliedsstaaten anerkannt ist. In Mazedonien wird gekämpft, in einer ziemlich unübersichtlichen Lage, angeblich gegen kosovarische Terroristen, doch so genau weiß das niemand. Immerhin, auch Mazedonien ist EU-Beitrittskandidat.

Was in Griechenland inzwischen passiert, könnte man auch als Wirtschaftskrieg bezeichnen. Nachdem man jahrelang tatenlos zugehen hatte, wie konservative Regierungen das Land in einem Sumpf aus Korruption, Vetternwirtschaft und Ineffizienz versank, lässt man das Land nun, da es sich eine progressive linke Regierung gewählt hat, am ausgestreckten Arm verhungern. Griechenland steht kurz vor der Staatspleite, die bereits Anfang Juni eintreten kann und die EU, gewohnt Banken und Finanzmärkten das Geld in den Hintern zu blasen, schaut seelenruhig zu. Kein Wunder, dass dieses unsolidarische Verhalten von den Griechen als Wirtschaftskrieg empfunden wird.

Außerhalb der EU-Grenzen ist Europa inzwischen auch im Krieg. Offiziell gegen Schlepperbanden, inoffiziell gegen Flüchtlinge aus Afrika. Mit Kriegsschiffen, Flugzeugen und Drohnen ist die EU unterwegs, um Schlepperbanden zu bekämpfen, „zu Wasser, an den Küsten und an Land“ – das ist Krieg. Wobei die EU schulterzuckend die Kollateralschäden in Kauf nimmt, nämlich die Flüchtlinge, denen die Flucht vor Hunger, Krieg, Bürgerkrieg, tödlichen Krankheiten und religiöser Verfolgung von der EU immer schwerer bis unmöglich gemacht wird. Aber das ist weit weg und die meisten Menschen fühlen sich davon kaum betroffen – also kann man wüten, wie man will.

Noch nie war die EU so weit von ihren eigenen humanistischen Werten und Zielen entfernt wie heute. Dabei sind die Europäer in ihrer überwiegenden Mehrheit pro-europäisch, nur, das Europa, das wir heute haben, ist nicht das Europa, das wir wollen. Wir wollen keinen importierten US-Cowboy-Kapitalismus, wir wollen keine Gesundheitssysteme, in denen Menschen aufgrund ihrer sozialen Lebensbedingungen unversorgt bleiben, weil sie den finanziellen Aufwand nicht mehr lohnen, wir wollen keine sozialen Ungleichheiten mehr, die zu millionenfacher Armut in Europa führt – wir wollen Europa, aber ein anderes Europa.

Und so blöd es klingt, die einzigen, die dafür sorgen können, dass wir eines Tages das Europa bekommen, das wir wollen, sind wir selbst. Niemand zwingt uns dazu, immer wieder die gleichen Pappnasen zu wählen, von denen wir wissen, dass sie nicht den kleinen Finger krumm machen, um das umzusetzen, was wir uns wünschen, und wir tun es dennoch. Es liegt einzig und alleine an uns, aus unserer politischen Lethargie aufzuwachen, all diejenigen zum Teufel zu jagen, die den Sirenengesängen der Brüsseler Lobbys erliegen und endlich diejenigen zu wählen, die ein echtes europäisches Programm vorlegen. Zugegeben, solche Formationen muss man mit der Lupe suchen und wird sie kaum im traditionellen Parteienspektrum finden. Doch wenn wir uns jetzt nicht entschließen, umzudenken und eine andere europäische Politik einzufordern, wird es irgendwann zu spät sein. Denn der Krieg ist längst schon wieder in Europa eingezogen.

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