Jetzt wird erstmal Kasse gemacht

Die Welt leidet, die sanitäre und wirtschaftliche Krise wird immer heftiger und gleichzeitig macht eine Handvoll Pharmahersteller Kasse. Aber das ist ein Problem.

Wieso kostet eine Dosis von "AstraZeneca" 4 €, die von "Moderna" aber 31 €? Foto: Agência Brasilia / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Da haben wir Hunderte von Millionen Euro in die Entwicklung neuer Vakzine gegen Covid-19 investiert und innerhalb von weniger als einem Jahr wurden tatsächlich, dank dieser öffentlichen Investitionen, mehrere Impfstoffe entwickelt, deren Verabreichung in praktisch allen Ländern begonnen hat. Doch was Herstellung, Verfügbarkeit und Geschäftsmodelle der Pharma-Hersteller anbelangt, tappt die Weltöffentlichkeit im Dunkeln. Warum eigentlich?

Die Preise für die einzelnen Impfdosen scheinen von den Herstellern mehr oder weniger freihändig festgelegt zu werden – und dazu zahlen bei den Herstellern auch nicht alle Kunden den gleichen Preis. Nach Angaben von Experten liegt der Preis für eine Dosis (des noch nicht verfügbaren und noch nicht zugelassenen) Vakzins des schwedisch-britischen Herstellers „AstraZeneca“ soll bei ungefähr 4 € liegen, da die Firmenleitung nach eigenen Angaben nicht die Gelegenheit nutzen will, die Welt zu schröpfen. Sollte das stimmen, wäre das eine noble Einstellung. Bei „BionTech-Pfizer“ liegen die Preise pro Dosis, je nach Kunde, zwischen 13 und 19 € pro Dosis. „Moderna“ ruft für seinen Impfstoff einen Preis von rund 31 € pro Dosis auf – die Preisspanne zwischen den einzelnen Vakzinen ist enorm und erzählt eine ganze Geschichte.

Es ist ein wenig wie bei den verschiedenen Bankenrettungen, für die Europa regelmäßig Milliarden ausgibt, wenn sich die Investment-Bänker mal wieder verspekuliert haben. Die Allgemeinheit trägt die Kosten für die Entwicklung der verschiedenen Vakzine, doch die Gewinne durch die Vermarktung kommen nicht etwa der Allgemeinheit zugute, sondern wandern in die Taschen der Aktionäre. Und das kann eigentlich nicht sein.

Das Argument, das die Verfechter dieser Situation anführen, ist ein Paradebeispiel der neoliberalen Perversion. „Ohne den finanziellen Anreiz hätte sich die Pharma-Firmen nicht mit derart viel Elan an die Entwicklung gesetzt, da ist es normal, dass sie jetzt entsprechend entlohnt werden“, sagen sie. Tatsächlich? Es ist nicht möglich, die Ausschüttung, die bei-Bestellung-Bezahlung noch nicht existenter Vakzine an Bedingungen zu koppeln? Beispielsweise eine auch in ärmeren Ländern stemmbare Preisgestaltung? Die staatliche Übernahme der Patente (natürlich gegen entsprechende Bezahlung), um die Produktion von Generika in staatlicher (oder europäischer oder weltweiter) Regie in Angriff zu nehmen? Es soll „normal“ sein, dass sich die ohnehin schon gebeutelten Volkswirtschaften jetzt ausbluten sollen, um die Weltgesundheit zu schützen, während sich Börsenspekulanten und Aktionäre der Pharma-Unternehmen eine goldene Nase auf dem Rücken der Weltbevölkerung verdienen?

Es kann nicht sein, dass die Staaten und Staatengemeinschaften pharaonische Beträge in den Schutz der Gesundheit ihrer Bevölkerungen stecken, sie im Gegenzug aber Beträge mobilisieren müssen, die unser aller Existenz auf Jahre belasten wird. An den Börsen herrscht gerade Hochstimmung wie seit Jahrzehnten nicht mehr, eine Art „Pharma-Goldrausch“ lässt die Börsenspekulation explodieren und der Neoliberalismus zeigt sein hässlichstes Gesicht.

Wieso unterliegen die Pharma-Hersteller, die dank öffentlicher Gelder ihre Vakzine entwickeln konnten, keiner Transparenz-Pflicht? Wieso laufen Verhandlungen über Lieferungen, Bestellungen und Preise hinter verschlossenen Türen ab? Wenn vergleichbare Produkte in einer Preisspanne von 4 bis 31 € pro Einheit angeboten werden, erkennt selbst der Laie, dass da etwas nicht stimmen kann.

Diese Pandemie ist eine Situation, wie sie die Welt in dieser Form noch nicht erlebt hat. In dieser Situation die Hebel des Wild-West-Kapitalismus anzuwenden, ist schlichtweg falsch und diese Situation gießt Öl ins Feuer der Komplottisten, die seit Monaten behaupten, die Pandemie-Strategien seien in erster Linie dafür ausgelegt, richtig viel Geld mit den Impfstoffen zu verdienen.

Die Regierungen der Welt müssen sich einen anderen Umgang mit den Pharma-Herstellern einfallen lassen. Dass diese für ihre Arbeit anständig entlohnt werden müssen und sollen, steht außer Frage. Aber es kann nicht sein, dass nun die Weltwirtschaft ausgeblutet wird, damit eine Handvoll Spekulanten ein unglaubliches Vermögen verdienen kann.

In Zeiten, in denen nur gelebte Solidarität die Gesundheit und die Wirtschaft der Weltbevölkerung retten kann, ist es ethisch und moralisch verwerflich, wenn die Gier des neoliberalen Kapitalismus als höheres und schützenswerteres Gut als das Wohlergehen der Weltbevölkerung eingeschätzt wird. Virus und Wirtschafts-Katastrophe sind so ungeheure Ereignisse, dass das Festklammern an den Mechanismen der Marktwirtschaft in dieser Situation starke Gegenreaktionen hervorrufen wird. Findet hier kein schnelles Umdenken statt, darf sich niemand wundern, wenn die Opfer dieser Multikrise eines Tages alles in Schutt und Asche legen.

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