Kindergartengespräche

Die Telefonate zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Wladimir Putin ähneln immer mehr Streitereien im Sandkasten. Ob sie wirklich etwas bringen?

Zwei, die oft und gerne miteinander telefonieren. Auch, wenn es nichts bringt. Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Macron und Putin haben wieder mal telefoniert. Warum die beiden das hin und wieder tun, ist unklar. Denn die „Dialoge“ ähneln eher einem absurden Theaterstück à la Ionescu als einem ernsthaften Dialog. Aber irgendwie müssen die beiden dann doch Gefallen an diesen Telefonaten haben, sonst würden sie schon längst darauf verzichten.

Laut dem Elysee-Palast hat Macron dem russischen Präsidenten mitgeteilt, dass die Ursache für die gefährliche Situation rund um das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja die russische Besetzung sei. Da wird Wladimir Putin aber gestaunt haben. Und als Macron ihn dann aufforderte, er möge doch seine leichten und schweren Waffen aus der Anlage abziehen, könnte es sogar sein, dass der russische Präsident gelacht hat.

Doch was den Unterhaltungswert dieser Telefonate angeht, kommt wohl auch Macron auf seine Kosten. Denn die Antwort Putins war eine Warnung an Macron, dass nämlich die ukrainischen Angriffe auf das Atomkraftwerk „katastrophale Folgen“ haben könnten, denn, so Putin, die Ukraine würde fortlaufend Angriffe auf die Anlage führen, einschließlich auf die radioaktiven Lagerstätten.

Jetzt wissen wir es also. Die armen Invasoren in der Ukraine und Besatzer des Atomkraftwerks, das sich fast 100 Kilometer von der russischen Grenze befindet, müssen unter den Angriffen der Ukrainer leiden. Wie im Sandkasten beschuldigen sich beide Seiten, für die tägliche Eskalation der Lage verantwortlich zu sein. Da ohnehin niemand neutral überprüfen kann, wer dort auf wen schießt, sind diese Gespräche reichlich sinnlos und die seit einem halben Jahr andauernden bilateralen Telefonate bringen überhaupt nichts. Außer, dass man sich gegenseitig vorwirft, mit der Zankerei angefangen zu haben, passiert in den Gesprächen nicht viel. Es sei denn, Macron erwartet ernsthaft eine Antwort wie „ach so, du willst, dass wir unsere Truppen und Waffen abziehen? Sag das doch gleich, kein Problem!“.

Dass sich die Russen allerdings über Angriffe beschweren, ist der Gipfel des Zynismus. Offenbar hat Putin vergessen, dass er es war, der die Ukraine hat überfallen lassen. Sich als widerrechtlicher Angreifer über die Verteidigung zu beschweren, das ist schon fast lächerlich, wäre die Situation vor Ort nicht so ernst.

Doch was beweckt Macron mit seinen erfolglosen, bilateralen Diplomatieversuchen? Dass der französische Präsident im Kreml nicht ernstgenommen wird, das weiß man schon länger und bei allen letzten Gesprächen, die halbwegs seriös geführt wurden, saßen weder Macron, noch Olaf Scholz mit am Tisch, sondern Recep Tayyip Erdogan. Die Versuche einer bilateralen Diplomatie schwächen weiterhin die Rolle der Europäischen Union, die inzwischen nicht mehr politisch ist, sondern sich darauf beschränkt, Geld und Waffen für die Ukraine aufzutreiben.

Solange westliche Politiker versuchen, im Rahmen des Ukraine-Kriegs ein wenig durch solche Diplomatie-Versuche zu glänzen, so lange wird die EU im internationalen Konzert nicht gehört werden. Schade, dass die europäischen Institutionen ihre wichtigsten Positionen nur noch als Vorruhestands-Posten sieht und folglich mit ansonsten aussortierten Politikern besetzt.

So ist der Präsident der Europäischen Rats der Belgier Charles Michel, ein früherer Ministerpräsident, für den es in der aktuellen belgischen Politik keinen Platz mehr gab. Die Präsidentin der Europäischen Kommission ist die deutsche Ursula von der Leyen, die als Verteidigungsministerin gescheitert war und für die man auf die Schnelle einen Job finden musste, bevor ihr in Berlin ihr McKinsey-Skandal im Gesicht explodiert. Der EU-Außenbeauftragte ist der Spanier Josep Borrell, ein früherer Außenminister Spaniens, für den es in Spanien auch keinen Job mehr gab.

Doch wenn die Spitzenpositionen Europas weiterhin mit auf nationaler Ebene abgehalfterten Frührentnern besetzt werden, von denen keiner demokratisch für diese Positionen gewählt wurde, darf man sich dann wirklich wundern, wenn die EU in den aktuellen Krisensituationen als Ansprechpartner keine Rolle spielt?

Es wird Zeit, dass sich die europäischen Institutionen nicht nur hinterfragen, sondern vor allem reformieren und in sich demokratischer und moderner werden. Die Frage lautet nur, ob dafür noch genug Zeit ist. Denn in der Ukraine werden Tatsachen geschaffen, die Europa gerade völlig überfordern. Dass in einer solchen Situation das europäische Spitzenpersonal aus gescheiterten Nationalpolitikern besteht, ist nicht gerade beruhigend. Genauso wenig wie die Telefon-Diplomatie zwischen Paris, Berlin, Kiev und Moskau.

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