Kotzen für den Weltfrieden

Rund sechs Millionen Menschen besaufen sich mehr oder weniger friedlich beim Münchner Oktoberfest, dem größten kollektiven Rauscherlebnis der Welt.

Tolle internationale Begegnungen für alle auf dem Oktoberfest - eine Riesengaudi! Foto: Usien / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die bayrische Tracht und der Alkohol heben alle sozialen Schranken auf, das Oktoberfest ist das vermutlich größte sozialistische Fest der Welt. Lederhosen und Dirndl sorgen dafür, dass arme und reiche, mächtige und  weniger mächtige Menschen gemeinsam und ohne soziales Gefälle schunkeln, singen und sich übergeben können – denn vor dem Kotzbecken sind alle gleich.

Die soziale Selektion findet dann aber doch statt, nämlich im Geldbeutel. Nicht nur, dass die Maß Bier heuer für schlappe 11,50 € über den Tresen geht, dazu ist der Aufenthalt in der bayrischen Landeshauptstadt in diesen Tagen ein echter Anschlag auf den Geldbeutel. Die letzte Luftmatratze wird für horrende Preise vermietet, aber was soll’s – Oktoberfest ist eben nur einmal im Jahr!

Die rund sechs Millionen Besucher kommen aus der ganzen Welt und verbrüdern sich an den Holzbänken der Festzelte. Dass das Deutschland-Bild, das diese Menschen dann wieder mit nach Hause nehmen, eigentlich ziemlich mau ist, das macht nichts. Besser ein maues Bild als gar keins.

Die Botschaft, die dieses kollektive Besäufnis vermittelt, ist geradezu humanistischer Natur. Am Ende des Tages sind wir alle gleich, unabhängig davon, wo wir herkommen, welche Hautfarbe wird haben und welche Sprache wir sprechen. Und ja, in unser aller Venen fließt rotes Blut, was gelegentlich überprüft wird, indem man dem Tischnachbarn seinen Maßkrug auf den Kopf schlägt. Das Ergebnis ist immer das gleiche – das hervorschießende Blut ist bei allen rot. Vor Gott und dem Maßkrug sind eben alle gleich. Ob sie nun aus Japan, Bayern oder Neuseeland kommen. Das ist Völkerverständigung und aktiver Einsatz für den Weltfrieden.

Was an diesem Bierfest so attraktiv sein soll, das erschließt sich einem vermutlich erst, nachdem man die zweite Maß geleert hat. In diesem Zustand dürfte einem die bayrische Blasmusik ebenso egal sein wie das Geschunkel, die Luft in den Festzelten und der unglaubliche Umgebungslärm.

Besucher aus der Region am Oberrhein, in zahlreichen, eher weinorientierten Gelagen gestählt, sollten trotzdem einige Grundregeln für den Besuch des Oktoberfests beachten. Regel 1: fahren Sie mit dem Zug, einer Fahrgemeinschaft oder dem Fernbus, nicht aber mit dem eigenen PKW. Den können Sie nämlich nirgendwo parken und die Polizeikontrollen rund um die Wiesn sind intensiv. Regel 2: Vermeiden Sie Ärger. Viele Menschen reagieren aggressiv auf den Reizüberfluss auf der Wiesn, auf den Alkohol, auf die tiefen Dirndl-Ausschnitte. Und da sich ein Maßkrug bestens als Schlag- und Wurfwaffe eignet, sollte man Ärger einfach weiträumig aus dem Weg gehen. Regel 3: Schalten Sie das Hirn aus und verzichten Sie auf jede Art soziologischer Betrachtung des Wiesn-Publikums. Regel 4: Trinken Sie die erste Maß möglichst flott – danach lässt sich vieles auf dem Oktoberfest leichter ertragen. Viel Spaß…

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  1. Schunkelnd ins Kulturchaos | Eurojournalist(e)

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