Kurzfilm goes Trabi

Das wichtigste Kurzfilmfestival findet seit 28 Jahren in Dresden statt. Die Preise, die dort verliehen werden, gelten als größte Einnahmequelle für dieses Genre - und als richtungsweisend.

Der französische Kurzfilm "Daphne ou la belle plante" hat den Publikumspreis in Dresden gewonnen. Foto: Sebastian Laudenbach

(Von Michael Magercord) – Altkirch läuft heute, Dresden ist schon durch: das bedeutendste Kurzfilmfest in Deutschland fand letzten Samstag in Sachsens Hauptstadt mit der Verleihung der Preise seinen Abschluss. Der französische Film „Daphné ou la belle plante” von Sébastien Laudenbach und Sylvain Derosne hat einen der Publikumspreise gewonnen – ein zärtlicher Streifen mit Bildern aus der Natur und einem Text über die Schönheit und Anmut einer Frau, Anspielungen an ihre äußerliche, aber auch innerliche Beschaffenheit, dargestellt ausschließlich durch Aufnahmen von Bäumen, Hügeln oder Wolken.

Kurzfilme haben ja den Charme, keine stringente Geschichte haben zu müssen, dazu sind sie nun einmal zu kurz. Deshalb sind es häufig eher inszenierte Impressionen, die diese Kurzform oftmals langatmig werden lässt. Die Kunst ist es, die Balance zu finden zwischen Impression und Stringenz.

Diese Kunst ist nicht nur hoch, sie hat es auch schwer beim generellen Publikum anzukommen. Einzig öffentlich-rechtlichen Sender frönen ihr ab und an, allen voran das in Straßburg beheimate ARTE. Aber im Kino laufen kaum Kurzfilme, bestenfalls zu besonderen Tagen. Es bleibt eine Subventionskunst, auch im Internet finden sie – wie so vieles, was darin geschieht – keine Einnahmen. So sind die Preise auf Festivals oft die wichtigste finanzielle Zuwendung für die Filmemacher.

Ja, in Dresden laufen nicht nur Montag für Montag Pegida-Leute herum, sondern auch regelmäßig Kurzfilme, und mit dem größten Kurzfilmfestival im Lande hat sich das Elbflorenz als Kurzfilmhauptstadt etabliert. Dessen Preisträger kamen auch in diesem Jahr aus ganz Europa und der Welt: aus Japan ein Animationsfilmer, aus Brasilien, Chile und Argentinien Occupy-Bewegte oder ein Brite mit einem skurrilen Film über die Alltäglichkeit von Terrortaten und Terrortoten. Aus dem fernen Rheinland steuerte die „Kölner Gruppe“ ein ziemlich groteskes Spiel zwischen trendy-linken Kultur-Redakteuren und revolutionären Möchtegern-Proletariern, die das WDR-Hörfunkstudio besetzt halten, bei.

Weltoffenes Dresden, wie es auch an allen öffentlichen Kulturgebäuden der Stadt zu lesen ist, mag man da nun glauben. Doch ausgerechnet der Hauptpreis des Abends zeigt vielleicht dann doch woran es liegt, dass ausgerechnet aus dieser Ecke Deutschlands eine derart seltsame rückwärtsgewandte Bewegung, die ihr Abendland retten will, kommt. Spender des mit 20.000 Euro dotierten Förderpreises ist das Ministerium der Künste des Freistaats Sachsen, und ein völlig belangloser Animationsstreifen über eine ziemlich harmlose Urlaubsreise mit dem Trabi an die Ostsee vor über dreißig Jahren hat ihn gewonnen. Einziger Höhepunkt: eine Kontrolle auf der Autobahn durch die Volkspolizei, die ohne weitere Konsequenzen endete. Puh, ganz schon aufregend… Was aber sagt uns ein derartiges Retrofilmchen als Gewinner aus Dresden? Über 25 Jahre danach noch immer die Ecke ohne Westfernsehen, als wäre nichts passiert auf der Welt seither. Da dreht man sich immer noch lieber um sich selbst, und damit schafft es dieses bemühte Filmchen sogar ins TV, in das Mitteldeutsche zumindest.

Eine vertane Chance dem Genre etwas mehr Relevanz zu geben, ist diese Juryentscheidung allemal. Aber schon im Juni, wenn in Straßburg im Maison des Images über den Kurzfilm in internationaler Besetzung diskutiert wird, und dann schließlich im Oktober bei der 6. Ausgabe des Festivals „Chacun son Courts“, gibt es eine weitere Chance zu beweisen, dass man kurze Filme drehen kann, ohne sich nur um sich selbst zu drehen.

Infos zum Filmfest Dresden unter: www.filmfest-dresden.de
Infos zum Filmfest Straßburg unter: www.chacunsoncourt.eu

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