Langsamere Fahrt für freie Bürger…

Daran werden wir uns gewöhnen müssen. Um unabhängiger von russischen Energieträgern zu werden, will die Europäische Kommission ein europaweites Tempolimit einführen.

Der Wunsch dieser Demonstrantin könnte in Erfüllung gehen. Zumindest nach den Plänen der EU-Kommission. Foto: Stefan Müller / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Vielleicht haben die vielen aktuellen Krisen auch etwas Gutes: Wir werden wohl kaum umhinkommen, künftig bewusster, gesünder und nachhaltiger zu leben. Die Verknappung von Ressourcen wird uns zwingen, mit den verfügbaren Ressourcen sinnvoller umzugehen, beispielsweise im Energiesektor, lokale und gesündere Nahrungsmittel zu konsumieren und insgesamt sorgfältiger mit dem umzugehen, was wir haben. Dies gilt momentan vor allem im Energiesektor und plötzlich liegt ein Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, der bis vor wenigen Wochen in Deutschland abgeschmettert worden wäre, doch der heute so viel Sinn macht, dass sich auch das Autoland Deutschland dem nicht wird verschließen können: Die Europäische Kommission schlägt ein europaweites Tempolimit auf den Autobahnen vor, was insgesamt nur Vorteile bietet.

‚Freie Fahrt für freie Bürger“, so lautete die Parole im Land, in dem Porsche, Mercedes, AUDI oder BMW ihre PS-starken Boliden bauen, doch dieses Credo zählt nicht mehr, wenn man auf russisches Öl verzichtet und generell Energie knapp und teuer ist. Ein generelles und einheitliches Tempolimit auf europäischen Autobahnen erlaubt, ziemlich viel Benzin zu sparen und wird gleichzeitig dafür sorgen, dass es immer weniger Unfälle auf den Autobahnen geben wird.

Für Deutschland ist das natürlich eine schwer zu schluckende Kröte, doch leben wir in Zeiten, in denen das, was gestern galt, heute überholt ist. Die Schweden und Finnen müssen sich von ihrer Neutralität verabschieden, die Schweizer mussten heftige Einschnitte in ihr heiliges Bankgeheimnis hinnehmen und Deutschland wird sich daran gewöhnen müssen, dass man künftig nur noch auf dem Nürburgring und auf anderen privaten Rennstrecken Autos bis an den Anschlag fahren kann. Die deutschen (und internationalen) Autobahnen werden sich in das verwandeln, was sie sein sollen – Straßen, auf denen man sicher von A nach B kommt und auf denen niemand mehr rast.

Die Entwicklung hin zum Sinnvollen ist eine Notwendigkeit, die von den aktuellen Krisen befeuert wird. Wir wollen von russischen Energieträgern unabhängig werden? Dann müssen wir eben solche Einschnitte hinnehmen.

Die Pläne der EU-Kommission erläuterte der luxemburgische Energieminister Claude Turmes: „Was wir auf EU-Ebene brauchen, ist ein EU-weit koordiniertes Geschwindigkeitslimit und zwei Tage Homeoffice pro Woche“. Nach seinen Berechnungen könnte man, wenn man diese Maßnahmen mit weiteren wie autofreien Wochenenden in großen europäischen Städten kombiniert, jährlich 2,5 Millionen Barrel Öl weniger verbrauchen. 2,5 Millionen Barrel, die Europa Russland nicht mehr abkaufen muss.

Angesichts des russischen Angriffskriegs hat Europa gar keine andere Wahl, als neue Wege zu gehen. Und alles, was wir in diesem Bereich tun werden, nutzt nicht nur unserem Energieverbrauch, nutzt nicht nur den Unfallstatistiken, sondern hilft auch beim dringenden Kampf gegen den Klimawandel. Wer weiß, ob wir uns nicht in ein paar Jahren bei Herrn Putin dafür bedanken werden, dass er durch seine Untaten Europa gezwungen hat, endlich sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, statt weiter, wie seit Jahrzehnten, vollmundige Ankündigungen zu machen, an die sich dann ohnehin niemand hält. Die Situation ist so ernst, dass es sich niemand mehr leisten kann, nur auf „politische Kommunikation“ zu setzen. Insofern kann man dem Vorschlag der EU-Kommission nur Beifall klatschen…

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