Lauterbach wird immer „spahniger“

Je länger der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Amt ist, desto mehr ähneln seine Aussagen denen seines Vorgängers Jens Spahn. Das war eigentlich anders gedacht…

Statt wirksam die Pandemie zu bekämpfen, spaltet Karl Lauterbach lieber die Gesellschaft... Foto: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Was nützt es, eine Regierung abzuwählen und eine neue einzusetzen, wenn die neue Regierung nahtlos dort weitermacht, wo die alte aufgehört hatte? Karl Lauterbachs Ansprache gestern vor dem Bundestag, wo der Gesundheitsminister versuchte, die Impfpflicht ab 18 durchzuboxen, klang so, als wäre die alte Regierung noch am Ruder. Dass sich Lauterbach nun zu der Aussage versteigt, dass im Herbst „die Ungeimpften das ganze Land in Geiselhaft“ nehmen würden, ist nicht nur peinlich, sondern vor allem gefährlich. Denn Lauterbach schlägt wieder die alte Leier an, dass die rund 25 % Ungeimpften für die extrem hohen Infektionszahlen der dreifach Geimpften verantwortlich wären.

Eigentlich war das Thema schon durch. Dass es in der Pandemie nicht viel bringt, ein Viertel der Bevölkerung zu stigmatisieren, zu Sündenböcken abzustempeln und für etwas verantwortlich zu machen, für das sie nicht verantwortlich sind, das konnte man schon vor Monaten erkennen. Die so initiierte Spaltung der Gesellschaft wird Jahre andauern und jetzt wieder Öl ins Feuer zu gießen, um seine eigenen Fehler zu rechtfertigen, das ist schon ziemlich schwach. Wenn überhaupt irgendjemand das Land in „Geiselhaft“ nimmt, dann ist es ein weiterhin mutierendes Virus, gegen das auch die Impfung nur begrenzt hilft, wie man unschwer daran erkennen kann, dass momentan überwiegend dreifach Geimpfte andere dreifach Geimpfte anstecken und wir nur das Glück haben, dass wir es momentan mit Varianten zu tun haben, die weniger schwere Krankheiten auslösen.

Doch um die erschöpfte Bevölkerung, die gerade mehr mit dem Ukraine-Krieg als mit der Pandemie beschäftigt ist, zu beruhigen, feiert man überall völlig verantwortungslose „Freedom Days“, man schafft eine vermeintliche „Normalität“ vor der warmen Jahreszeit, damit die Leute Frühling, Sommer und Ferien genießen können, bevor man uns im Herbst oder beim Auftauchen einer gefährlicheren Variante des Virus wieder die Daumenschrauben anlegen wird.

Der Duktus von Lauterbach ist jämmerlich. Niemand, der sich weigert, sich permanent Impfdosen in den Arm stechen zu lassen, nimmt irgendwen anderen in „Geiselhaft“. Geiselnehmer, also üble Verbrecher, tun das. Und 25 % der Bevölkerung zu Verbrechern abzustempeln, das ist schon starker Tobak.

Wie unklar die Situation rund um das Thema „Impfen“ ist, erkannte man gestern auch im Bundestag, wo es zur Impfpflicht keine klare Linie gibt, nicht einmal innerhalb der Fraktionen. Das ist nachvollziehbar, denn auch nach mehr als zwei Jahren der Pandemie, wissen wir immer noch sehr wenig über die Natur des Virus, über dessen Langzeitfolgen, über die Wirksamkeit der Impfstoffe, über eventuelle Nebenwirkungen der Impfstoffe. Dass es bei all diesen Unsicherheiten und Fragezeichen schwer ist, zu einer einheitlichen Linie zu kommen, ist klar. Doch in einer solchen Situation ist es hochgradig schädlich, weiter an der Stigmatisierung von Menschen zu arbeiten, die aus den unterschiedlichsten Gründen diese ganz spezielle Impfung ablehnen. Gäbe es ausreichend belegbare Gründe, sollte man diese in den Vordergrund stellen, statt mit solchen Aussagen die Gräben durch die Gesellschaft weiter zu vertiefen.

Seltsam, so lange Karl Lauterbach nicht in der Verantwortung stand, klangen seine Ansagen ganz anders. Wenn er gestern im Bundestag sagt: „Wir können die Pandemie zum ersten Mal für Deutschland mit der Impfpflicht ab 18 beenden“, dann sagt er schlicht und ergreifend die Unwahrheit. Eine Impfpflicht ab 18 Jahren kann die Pandemie definitiv nicht beenden, denn eine nationale Maßnahme, die noch dazu rein theoretischer Natur ist (eine 100 % Durchimpfung ist eben faktisch nicht erreichbar), kann keine weltweite Pandemie beenden. Stattdessen sollte sich Lauterbach lieber die Frage stellen, ob die Abschaffung praktisch aller sanitären Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt nicht der sicherste Weg ist, die Wellen 7, 8 und 9 loszutreten, indem man die Bevölkerung in dem trügerischen Gefühl wiegt, die Pandemie sei vorbei.

Und so reiht sich auch Karl Lauterbach in die Reihe der Politiker ein, die dazu beitragen, dass sich die Pandemie immer tiefer verwurzeln kann. Wenn die Politik nun das Tragen von Masken, das Einhalten von Abständen und das Vermeiden von Menschenmassen abschafft, obwohl man alleine schon beim Kölner Karneval vor wenigen Tagen gesehen hat, wie solche Veranstaltungen die Inzidenzen in Rekordzeit in die Höhe treiben, dann sollte man sich vielleicht doch besser auf den Eigenschutz verlassen. Denn das Abschaffen der Pflicht für diese sanitären Maßnahmen bedeutet kein „Verbot“, weswegen jeder, der keine Lust auf eine Infektion mit einem hochvirulenten Variant hat, weiterhin seine persönlichen Maßnahmen treffen sollte. Das Virus befindet sich gerade in der 6. Welle und da man sich nicht mehr auf die Politik verlassen kann, sollte jeder für sich selbst diejenigen Schutz-Maßnahmen beibehalten, mit denen er oder sie sich sicher fühlt. Und eines ist klar: Mit der Spaltung der Gesellschaft kann man genauso wenig eine Pandemie bekämpfen wie mit Maßnahmen auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene. Aber bis dieser Umstand bis zur hohen Politik durchgedrungen ist, sind wir vermutlich schon bei der 17. Impfdosis angelangt…

2 Kommentare zu Lauterbach wird immer „spahniger“

  1. Lassen Sie ja unseren Karl in Ruhe. Hier gibt es stets hohen Unterhaltungswert zu null Eintritt. Das hätte Spahn nie geschafft.

    • Schon erschreckend, dass wir unsere Big Shots inzwischen in erster Linie nach “Unterhaltungswert” einstufen müssen. Schon klar, was Sie meinen…

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