Manuel Valls zwingt seine Partei mit Gewalt hinter sich

Wofür braucht man eigentlich ein Parlament, wenn man an ihm vorbei regieren kann? Foto: Ericwaltr / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – 289 Abgeordnete hätten gestern für den Einspruch gegen Manuel Valls Ausbooten des Parlaments stimmen müssen, um doch über den Gesetzentwurf über die Wirtschaftsreformen (Loi Macron) abstimmen zu dürfen, doch am Ende siegte die Parteiräson.

Nur 234 Abgeordnete stimmten empört gegen das Ziehen von § 49-3 der Verfassung, das der Regierung ermöglicht, einen Gesetzentwurf als angenommen zu erklären, ohne das Parlament darüber abstimmen zu lassen. Also ziemlich genau der Gegenentwurf zu einem demokratischen Prozess. Was die vielen sozialistischen Abgeordneten, die selbst nicht mit dem Reformpaket einverstanden waren, vor eine Gewissensfrage stellte – zähneknirschend stimmten sie mit Valls und verhinderten somit eine Regierungskrise, der sie letztlich selbst zum Opfer hätten fallen können.

Mag sich Manuel Valls auch als Sieger fühlen, mag er das Gefühl haben, als habe er Führungsstärke gezeigt, Entschlossenheit, all das, was sich die französischen Wähler nach Sarkozy gewünscht hatten, doch mit diesem Verfahren ist Valls über die demokratischen Spielregeln hinaus geschossen. Klar war das alles legal, doch nicht alles, was legal ist, ist auch richtig. In einer repräsentativen Demokratie kann es nicht richtig sein, bei Fragen von grundlegender Bedeutung den gewählten Vertretern des Volks das Stimmrecht zu entziehen.

Jetzt geht es gar nicht mehr darum, was dieses Reformpaket beinhaltet. Wie die Öffnung des Fernbusmarkts, den Abbau von Hindernissen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, die Überprüfung staatlicher Investitionen, ein Programm zur Aktienbeteiligung von Mitarbeitern an großen Unternehmen, die Möglichkeit, sich zwischen Unternehmen Geld zu leihen (was die starken Finanzlobbys als Anschlag auf ihr Monopol betrachten) – inzwischen geht es vor allem um die Abkürzung 49-3 – den Paragraphen, der die Regierung ermächtigt, bei Gesetzentwürfen in den Bereichen Finanzen und Finanzierung der Sozialversicherung am Parlament vorbei zu entscheiden.

Diejenigen sozialistischen Abgeordneten, die mit dem Paket in dieser Form nicht einverstanden waren, mussten Valls unterstützen. Doch auch so könnte dieser nassforsche Umgang mit der Demokratie das sein, was ein UMP-Abgeordneter befürchtet: das Ende der V. französischen Republik.

2 Kommentare zu Manuel Valls zwingt seine Partei mit Gewalt hinter sich

  1. Von Zeit zu Zeit versuche ich mich im Lesen und Verstehen frz. Onlinezeitungen, -Meldungen. Mich interessiert was ich dort gestern nicht verstanden habe (oder wollte?) – und nun finde ich auf diesem Forum die deutsche Fassung über Valls und Co’s politisch inkorrekte Vorgehensweise. Davon hörte und las man bis dato meines Wissens nichts in der dt. Medienlandschaft. Daher vielen Dank für die Berichterstattung. Mir fiel spontan die Redewendung “L’ État c’ est moi !” ein. Sehr bitter für die frz. Demokratie. Mein Beileid.

  2. Sie haben völlig Recht – dieses undemokratische Vorgehen basiert auf einem völlig anderen Verständnis des Konzepts “Macht” bei unseren französischen Freunden. Die Offenheit, mit der Manuel Valls erklärte, dass er § 49-3 gezogen habe, weil er sich nicht sicher sein konnte, dass seine Fraktion geschlossen für das Reformpaket stimmen würde, hat etwas Entwaffnendes und etwas Beunruhigendes.

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