Migration und Umzug

Mit einer letzten Ausstellung in den Räumen nahe des Place Austerlitz schließt das Straßburger Künstlerhaus Syndicat Potentiel seine Pforten in der Rue des couples, nur um sie schon bald in Neudorf wieder zu öffnen.

"Migration und Schwarmbildung", aktuell zu sehen in der Strassburger Galerie "Syndicat Potentiel". Foto: Syndicat Potentiel

(Von Michael Magercord) – Krise der Migration oder mangelnde Solidarität der Sesshaften? Wie zieht man Parallelen zwischen so unterschiedlichen Orten wie Fes in Marokko und Straßburg? In welcher Form lassen kriegerische Auseinandersetzungen ohne stereotype Herleitungen seiner Ursachen darstellen? Und wie viele Szenarien aus Spaghetti-Western verwirklichen sich im Nahostkonflikt?

Vor den großen oder auch mal kleineren Fragen der aktuellen Weltgeschichte haben sich die meist noch jungen Künstler, die ihre Kunst im Sydicat Potentiel in Straßburg präsentierten, nie gescheut. Das wird auch in der letzten Ausstellung in den Räumlichkeiten in Krutenau nicht anders sein, wenn etwa Osama Jeljeli und Lucien Carrer mit Hilfe von Karten und Grafiken die Diskurse über Flüchtlinge, Einwanderung und Bürgerkriegskonflikte ihren archetypischen Klischees über Barbaren und andere Fremdlinge zu befreien. Oder wenn die Gemälde auf strukturierten Holzuntergrund von Caroline Gamon zeigen sollen, dass urbane Wahrnehmungsstrukturen überall ähnlich sind. Und ebenso wenn, Larissa Sansour auf Einladung des jüdisch-palästinensischen Kollektivs „Citoyen pour la Palestine“ ihre Videos und Fotos aus der Region in die Tradition von populärer Filmkultur stellt.

Ob diese Werke schließlich dann auch Antworten auf all die Fragen geben werden? Sicher nicht, denn es ist gar nicht die Aufgabe der Kunst – jedenfalls nicht der modernen – welche zu liefern. Fragen zu stellen hingegen schon. Ob diese Fragen aber auch alle wirkliche Problemstellungen zu Tage fördern oder sich letztlich nur mit Scheinsorgen herumplagen? Das eine vom anderen zu scheiden, ist ebenso wenig die Aufgabe des Künstlers – jedenfalls nicht in Zeiten, in denen die Ausgeburten der einzelnen Kunstschaffenden zum Maß der Kunst geworden ist. Und ob nicht manchmal das eigene Material den Künstler dazu verführt, dass er etwas über das Ziel hinausschießt und in seinem Werk mehr vermutet, als es zu erkennen gibt – auch das gehört zum Wesen der Kunst in unserem in moralischer Hinsicht zwar unbestimmten, doch gleichsam überdrehten Zeiten.

Dass dabei dann doch ab und an Großes auch im Kleinen herauskommen kann, haben gerade die Ausstellungen im Syndicat Potentiel bewiesen. In der vielleicht mutigsten Galerie Straßburgs gab es etwa das „grenzwertige“ Video von Brigitte Zieger zu sehen oder das behutsam gestaltete Memoryspiel von Vanessa Lenzi um die Erinnerung an kulturelle und historische Erblasten.

Am neuen Standort wird es ab Mitte Dezember weiter gehen und die Kunstbesessenen nach Neudorf ziehen lassen – Überraschungen in der einen oder anderen Richtung inklusive. Zuvor wird an aller Stätte noch ein Workshop für Kunststudenten und Interessierte ausgerichtet, Thema passend zum Umzug: Migration und Schwarmbildung.

Ausstellung : “Mondes Parallèles” – vom 25.11. bis 9.12.2017
Syndicat Potentiel in der 13 Rue des Couples, Straßburg
Vernissage am Montag, den 27. November ab 18.00 Uhr
mit Lucien Carrer, Osama Jeljeli, Caroline Gamon, Larissa Sansour

Workshop MIGRATION / MURMURATION
Samstag, 2. Dezember um 12.00 Uhr

Und dann am Freitag, den 14. Dezember, der erste Abend im neuen Quartier:
Syndicat Potentiel, 109 Avenue de Colmar, Stadtteil Neudorf

Infos unter:
https://www.facebook.com/events/140292213260666/ http://syndicatpotentiel.free.fr/yacs/articles/view.php/794

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