Mit einem braunen, äh, blauen Auge davongekommen

Der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maassen ist auch nach seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss nicht entlassen worden.

CDU, CSU und AfD stehen wie die Deutschlandfahne geschlossen hinter Hans-Georg Maassen. Und alle drücken das rechte Auge zu. Foto: Bundesministerium des Inneren / Sandy Thieme / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Da ist er noch einmal mit einem braunen, äh, blauen Auge davon gekommen. Nach seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags war der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) nicht etwa entlassen worden, sondern im Gegenteil, eine unheilige Allianz aus CDU, CSU und AfD stellte sich geschlossen hinter den obersten Verfassungsschützer, obwohl dieser vor dem Ausschuss, wie hinterher teilnehmende Abgeordnete berichteten, nicht nur die gestellten Fragen nicht beantwortete, sondern aussagte, dass er sich mit leichten Veränderungen erneut so verhalten würde. Der Mann hat offenbar seinen Auftrag nicht verstanden.

Immerhin verdanken wir Hans-Georg Maassen eine neue Definition. Nämlich diejenige des Begriffs „Hetzjagd“. Bei einer solchen werden Ausländer nicht etwa im Sprint gehetzt und angegriffen, sondern erst nach einem Mittelstreckenlauf, der in der Gruppe zu absolvieren ist. Übergriffe nach kurzen Sprints fallen nicht in diese Kategorie, weswegen der Chef des Verfassungsschutzes auch ungefragt das Gerücht in die Welt setzen darf, dass es in Chemnitz keine Hetzjagden gegeben habe. Es ist nicht das erste Mal, dass Hans-Georg Maassen zeigt, dass er auf dem rechtsextremen Auge blind ist.

In seine Amtszeit fällt der Prozess gegen die Neonazi-Terrortruppe NSU, die zwischen 2000 und 2007 ihre Mordserie beging. Im Laufe des Prozesses gegen ehemalige NSU-Terroristen trug das BfV nicht im Geringsten zur Aufklärung des Verdachts einer Nähe des Verfassungsschutzes zu den Terroristen bei. Längst festgestellt ist, dass der Verfassungsschutz mehrere Rechtsextreme aus dem Umfeld des NSU auf der Informantenliste führte und dass Gelder in Richtung der Terroristen flossen. Auch die Frage, was eigentlich ein ranghoher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes wenige Sekunden vor einem der Morde im Internet-Café eines der Mordopfer tat, um dann zu behaupten, er habe die Schüsse nicht gehört, konnte nicht geklärt werden. Dass dabei der Verdacht entstand, der Verfassungsschutz selbst habe in der einen oder anderen Form an den Taten des NSU mitgewirkt oder diese nicht verhindert, obwohl er von ihnen Kenntnis hatte, ist nachvollziehbar.

Seit der Flüchtlingswelle 2015 überschreitet Hans-Georg Maassen auch häufig seine Zuständigkeit, indem er offen Angela Merkel, immerhin seine Dienstherrin, wegen deren Flüchtlingspolitik kritisiert, was ihn den berechtigten Vorwurf einbrachte, er würde die fremdenfeindliche Hetze der AfD bedienen. Als Leiter einer Behörde hat er sich politisch neutral zu verhalten und nicht politische Einschätzungen abzugeben, vor allem dann nicht, wenn diese so falsch sind wie das Anzweifeln der Echtheit des berühmten Videos einer „Hetzjagd“ in Chemnitz, die man nach seiner Definition wohl als „versuchte Sprintkörperverletzung“ werten muss. Nichts Schlimmes. Es gibt keine Neonazis. Es gibt keine Hetzjagden auf Ausländer. Alles ist in Ordnung.

CDU, CSU und AfD müssten sich jetzt eigentlich mehrere Dinge überlegen. Wollen CDU und CSU wirklich die Mutter aller Katastrophen beschwören, nämlich die Zusammenarbeit der bürgerlichen Mitte mit dem parlamentarischen Arm der „Pegida“-Bewegung? Und wollen sie wirklich nicht der Forderung der SPD entsprechen und den Mann entlassen? Unsere Verfassung sollte nicht von Leuten geschützt werden, deren Verhältnis zu den rechtsextremen Kräften im Land nicht klar ist.

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