Nationale Alleingänge wecken Ressentiments

Im Elsass geht vielen Tankstellen gerade das Benzin aus. Der Grund: Deutsche Autofahrer fahren scharenweise zum Tanken ins Elsass, weil der Sprit dort 50 Cent billiger ist.

So sieht es momentan an deutschen Tankstellen in Baden aus - die deutschen Autofahrer fahren zum Tanken ins Elsass. Foto: Emilius123 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – An vielen elsässischen Tankstellen ist momentan Benzin Mangelware. Dies hat einen einfachen Grund: Da in Frankreich der Benzinpreis noch eine Weile massiv subventioniert wird, während die Subventionen in Deutschland weggefallen sind, ist Benzin in Frankreich aktuell rund 50 Cent billiger als in Deutschland. Im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern führt das zu einem massiven „Tank-Tourismus“. Deutsche Autofahrer stehen in langen Schlangen vor den elsässischen Tankstellen und speziell im Norden des Elsass geht vielen Tankstellen der Sprit aus. Und die Elsässer sind sauer.

Zur Zeit liest man in den Sozialen Netzwerken täglich die Schilderungen von elsässischen Autofahrern, die auf der Suche nach einer Tankfüllung eine Tankstelle nach der anderen abklappern und am Ende liegenbleiben, weil auch die xte Tankstelle kein Benzin mehr hatte. Und die Reaktionen sind häufig virulent. „Erinnert ihr euch noch an die Grenzschließung beim ersten Pandemie-Lockdown? Wie Aussätzige haben sie uns behandelt! Ich werde nie wieder in Deutschland einkaufen!“ und ähnliche Dinge werden dort verbreitet und alles, was bereits während der Phase dieser Grenzschließung an alten und weniger alten Ressentiments hochkochte, ist sofort wieder auf der Tagesordnung.

Einmal mehr zahlen wir den Preis für die Unfähigkeit unserer Politiker, europäische Strategien und Lösungen aufzusetzen. Würden die europäischen Länder in dieser Krise gemeinsam und solidarisch handeln, käme es nicht zu diesen Verwerfungen. Wenn das Benzin auf der anderen Rheinseite einen halben Euro pro Liter billiger ist, dann ist nachvollziehbar, dass die Menschen in Scharen über die Grenze fahren, um ihre ohnehin schon angespannten Budgets wenigstens ein klein wenig zu entlasten. Das war immer schon so und geht seit Jahrzehnten in beide Richtungen. Mal sind Benzin / Zigaretten / Lebensmittel / Windeln auf der einen Rheinseite billiger, mal auf der anderen. Und natürlich fahren die Menschen in der Grenzregion dort zum Einkaufen, wo es günstiger ist.

Doch die aktuelle Lage lässt sich kaum mit anderen Situationen in den letzten Jahrzehnten vergleichen. Für viele Menschen geht es heute nicht darum, ein Schnäppchen zu machen, sondern am Monatsende der Familie noch eine Mahlzeit auf den Tisch stellen zu können. Da spart man eben, wo man kann. In Frankreich wird getankt, in Deutschland werden Tabakwaren und Lebensmittel eingekauft. Doch je drastischer die Preisunterschiede sind, desto schneller kann es dazu kommen, dass bestimmte Waren knapp werden oder überhaupt nicht mehr erhältlich sind. Und das schlägt dann auf die Stimmung.

Wenn man sieht, in welcher Geschwindigkeit der Hass zwischen den Völkern wieder aktuell wird, wie schnell wieder allgemeine Vorurteile wach werden, dann sieht man, wie wackelig die so oft beschworene deutsch-französische Freundschaft ist. Es reicht, dass kurzzeitig Benzin oder Toilettenpapier knapp werden und schon zeigen die Menschen mit dem Finger auf die andere Rheinseite und klopfen Hassparolen.

Würden Fragen wie die Subvention von Kraftstoffen und anderen Produkten in einer solchen Krisensituation auf europäischer Ebene behandelt, wäre das Potential für diesen neu aufkeimenden und nationalistisch begründeten Hass wesentlich geringer. Doch die Frage der Folgen der von Westen verhängten Sanktionen wurde nie in der Tiefe besprochen, ebenso wie in der Pandemie versucht weiterhin jedes Land seine eigene Strategie (obwohl keine davon wirklich funktioniert) und die Gräben zwischen den Völkern werden immer tiefer. Wladimir Putin hält sich vermutlich den Bauch vor Lachen, denn die europäischen Sanktionen treffen momentan vor allem den Nerv der Menschen in Europa.

Wir in der Grenzregion müssen sehr aufpassen, dass wir nicht in die Falle der Mächtigen tappen. Nein, Paris und Berlin werden es nicht schon irgendwie richten. Dafür, dass aus Freundschaft nicht wieder Hass wird, dafür werden wir schon selber sorgen müssen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste