Nicht Fisch, nicht Fleisch…

Die Maßnahmen der Stadt Kehl zur Bekämpfung des Coronavirus sind mal scharf, mal seltsam inkonsequent. Man merkt, dass die Erfahrung im Umgang mit einer solchen Krise fehlt. Und das soll kein Vorwurf sein.

Wieviele Masken, Handschuhe, Sicherheitsabstände? Es wird Zeit, dass man auch in Deutschland die Restaurants, Cafés und Terrassen dicht macht! Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Versammlungen, selbst in kleinen Grüppchen, werden laut Notverordnung der Landesregierung Baden-Württemberg ab sofort im Land als Straftaten verfolgt. Es ist so ziemlich alles verboten, Hochzeitsfeiern, Picknick mit Bekannten im Garten der zwei Ufer, Eisschlecken im Freundeskreis auf dem Marktplatz, abendliche Party auf öffentlichen Plätzen – und die Strafen sind saftig. Bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe drohen und da hört der Spaß natürlich auf.

Gleichzeitig traut sich die Stadt aber nicht, konsequent die Schließung von Restaurants, Cafés und Terrassen anzuordnen – diese sind immer noch geöffnet und die Vorschrift, dass die Gäste in 1,5 Meter Abstand sitzen müssen, ist fast lächerlich. Wie kann man einerseits diejenigen Orte geöffnet lassen, in denen sich das Coronavirus rasend ausbreiten kann, gleichzeitig aber andere Zusammenkünfte außerhalb von solchen Einrichtungen als Straftat werten? Wäre es nicht konsequent, wie in fast allen anderen Ländern der EU, Restaurants, Cafés und Terrassen zu schließen und die Menschen aufzufordern, endlich daheim zu bleiben?

Es ist fast so, als fehle der Mut, auch den letzten Schritt konsequent zu gehen und ebenso wie die große Nachbarstadt Straßburg eine Ausgangssperre zu verhängen. Trotz Grenzsperrung ist diese nach wie vor durchlässig für Pendler, und damit ist dann auch die Zirkulation des Virus über den Rhein hinweg sichergestellt. Nun ist es so, dass das SARS-CoV-2 natürlich schon längst auch in Kehl ist, weswegen diese Grenzschließung ein recht ungeeignetes Mittel ist, das Virus zu stoppen – in der Stadt Kehl gibt es mittlerweile 13 bestätigte Fälle und 45 Personen sind in Quarantäne. Man kann also davon ausgehen, dass das Virus auch in Kehl unterwegs ist und angesichts dieser Tatsache ist es unbegreiflich, dass man nach wie vor den Betrieb von Restaurants, Cafés und Terrassen erlaubt.

Doppelt traurig ist es, dass bei Beisetzungen nur noch Ehe- oder Lebenspartner, sowie höchstens zwei in gerader Linie und ersten Grades mit dem Verstorbenen verwandte Personen teilnehmen können. Diese müssen voneinander Abstand halten und Körperkontakt ist verboten. Wer schon einmal an einer Beisetzung teilgenommen hat, der versteht, wie schwierig diese Situation für die Betroffenen ist.

Aber immerhin – die Ansteckung mit dem Coronavirus ist in Kehl auf die Öffnungszeiten der Restaurants, Cafés und Terrassen beschränkt – um 18 Uhr müssen alle dichtmachen und dürfen keine Gäste mehr im Innenraum bedienen. Dass dies bis 18 Uhr möglich ist, ist grob fahrlässig und niemand darf sich wundern, wenn die Infiziertenzahlen in den kommenden Tagen sprunghaft ansteigen werden.

Was nützen die schönsten und strengsten Maßnahmen, was nützt die Gefängnisandrohung und was nützen die neuen Vorschriften, wenn diese durch die halbherzige Politik gegenüber Restaurants, Cafés und Terrassen wieder aufgehoben werden? In geschlossenen Räume, das weiß man unter anderem dank des Robert-Koch-Instituts in Berlin, hält sich das Virus in Tröpfchen bis zu 45 Minuten in der Luft – wie kann man dann Restaurants erlauben, weiterhin zu öffnen, mit dem Hinweis, dass um 18 Uhr aber Feierabend ist? Was ist mit den Tischen und dem Umstand, dass sich das Virus auf verschiedenen Oberflächen noch stundenlang halten kann?

Das Versammlungsverbot der Stadt ist scharf formuliert. Und damit das niemand falsch versteht, lieferte die Stadt sogar eine juristische Definition des Begriffs „Versammlung“ mit: Demnach ist im juristischen Sinn eine Versammlung, wenn mehrere Menschen aus unterschiedlichen Richtungen und von verschiedenen Orten her zusammenkommen. Nur in Restaurants, Cafés und Terrassen scheint diese Regelung nicht zu gelten – klar, die Gäste kommen ja alle durch die gleiche Tür herein…

Die Stadt Kehl unternimmt viel, um gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorzugehen. Doch gleichzeitig unterlässt sie auch Wichtiges, mit dem man dieses Ziel erreichen könnte. Dass immer noch Restaurants, Cafés und Terrassen öffnen dürfen, ist geradezu eine Beförderung der schnellen Ausbreitung dieses Virus. Könnte da bitte mal jemand nachbessern?

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