Pandemischer Gemächtvergleich

Trotz aller beruhigenden Worte ist die Pandemie alles andere als vorbei. Aber immer noch ist es den Regierungen sehr wichtig, auf ihre eigenen, nicht funktionierenden Strategien zu setzen.

Die vielen verschiedenen Strategien bringen - nicht viel... Foto: MartinD / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die einen feiern „Freedom Day“, die anderen lockern die sanitären Maßnahmen scheibchenweise und wieder andere schicken ihre Bevölkerung schon wieder in den Lockdown. Jedes Land will der Champion in der Bekämpfung der Pandemie sein. Doch alle verschiedenen Strategien haben nur eines gemeinsam: Sie funktionieren nicht. Aber das bringt die Entscheider auch nach fast zwei Jahren nicht auf die naheliegende Idee, es vielleicht einmal gemeinsam zu versuchen.

Die ersten Länder, wie Litauen, verhängen in der gerade beginnenden „5. Welle“ damit, ihre Bevölkerungen wieder in den Lockdown zu schicken, beziehungsweise die sanitären Maßnahmen deutlich zu verschärfen. Andere Länder wie Russland berichten von den höchsten Todeszahlen seit Beginn der Pandemie. Großbritannien, das alle sanitären Maßnahmen mit einem „Freedom Day“ abgeschafft hat, meldet wieder 50.000 Neuinfektionen am Tag. In den Niederlanden, die ebenfalls alle Maßnahmen abgeschafft haben, explodieren die Infektionszahen. In Deutschland überlegt man laut, ob bei der Inzidenz „500 nicht das neue 50“ ist. Und dabei stellt man fest, dass keine der Strategien, mit denen jedes Land für sich versucht, die Pandemie in den Griff zu bekommen, funktioniert.

In Deutschland ist die Lage mit am verworrensten. 16 Bundesländer, 16 Corona-Verordnungen, 16 unterschiedliche Strategien. Genau so verhält es sich auf europäischer Ebene, und von der weltweiten Dimension braucht man gar nicht erst zu sprechen. Fast zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie haben es die Verantwortlichen der Politik auf der ganzen Welt immer noch nicht begriffen, dass man eine weltweite Pandemie nicht auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene bekämpfen kann und deswegen erleben wir weiterhin einen sinnlosen Wettbewerb, bei dem sich die Länder gegenseitig beweisen wollen, dass sie die Pandemie erfolgreicher bekämpfen können als die anderen. Doch dieser „pandemische Gemächtvergleich“ führt nur zu einem – dass die Pandemie sich dauerhaft einrichten kann. Und genau das passiert gerade.

Da ist es unglaublich, dass sich eine Ursula von der Leyen vor das Europäische Parlament in Straßburg stellt und davon schwadroniert, wie großartig die EU doch diese Krise managt. Dabei managt die EU überhaupt nichts in dieser Krise. Nach wie vor verstecken sich alle Regierungen hinter der Aussage, dass „Gesundheit in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten liegt“. Diese Regelung wurde zu einem Zeitpunkt aufgesetzt, als niemand ahnen konnte, mit was für einer Pandemie man es zu tun bekommen könnte. Die Unfähigkeit der EU, in einer solchen Situation gemeinsam zu agieren, wirft ein katastrophales Licht auf die EU, ebenso wie die realitätsfremden Aussagen der Präsidentin der EU-Kommission in ihrer triefenden Selbstzufriedenheit.

Besonders ärgerlich ist, dass die unterschiedlichen Strategien häufig dazu führen, dass sich die in den einzelnen Ländern getroffenen Maßnahmen gegenseitig aufheben und damit einen breiten Korridor für die weitere Verbreitung des Virus schaffen.

Würde eine der unendlich vielen Strategien, die auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene zur Anwendung kommen, funktionieren, dann hätte man das in den letzten zwei Jahren mitbekommen. Aber keine dieser Strategien funktioniert, im Idealfall schafft man es, die pandemische Lage für ein paar Tage oder Wochen lokal zu verbessern, bevor dann die nächste Welle mit voller Gewalt zuschlägt.

Dass es zielführender wäre, die Strategien aufeinander anzupassen und zeitgleich auf kontinentaler Ebene zu verhängen, ist geradezu logisch. So logisch, dass dies der einzige Ansatz ist, über den man in den zwei Jahren der Pandemie noch nicht einmal gesprochen hat. Denn, „Gesundheit liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten“.

Aber wozu dient eine Europäische Union, wenn sie sich im Notfall hinter Paragraphen verschanzt, statt im Interesse der 500 Millionen Europäer und Europäerinnen zu handeln? Die Unfähigkeit zum gemeinsamen arbeiten an einer gemeinsamen Lösung gehört zu den Faktoren, diee dafür sorgen, dass sich diese Pandemie dauerhaft einrichten wird. Und je länger sich die Länder einer Zusammenrbeit verweigern, desto sicherer ist es, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass diese Pandemie zu den Dauerkillern unserer Welt zählt. Aber das scheint die Regierungen und die EU nicht zu interessieren. Hauptsache, die Pharmakonzerne können ihre Produkte weiterhin zu Höchstpreisen an den Mann und die Frau bringen. Darauf kann man sich international verständigen. Aber nur darauf.

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