„Pegida“ und rechte Gewalt – die Sprache der Zu-kurz-Gekommenen

Die „Pegida“ hat bei ihren Demonstrationen wieder stärkeren Zulauf, täglich brennen Flüchtlingsheime und die Ausländerhasser machen mobil. Dabei meinen sie gar nicht die Ausländer.

Diese traurigen Existenzen könnten auch Schilder mit der Aufschrift "Schaut her - ich existiere!" tragen. Foto: blu-news.org / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Am Montag waren es wieder rund 10.000 Menschen, die sich an der „Montagsdemonstration“ der „Pegida“ in Dresden beteiligten. Aus der Menge heraus wurden zwei Journalisten tätlich angegriffen, wobei die Täter blitzschnell Schutz in der begeistert johlenden Menge fanden. Doch das, was die „Pediga“ auf der Straße ausdrückt, ist gar kein Ausländerhass, sondern der Protest der Ewig-zu-kurz-Gekommenen im Osten Deutschlands, der Verlierer der deutschen Wiedervereinigung, der Aufstand der Perspektivlosen, die sich eben ein Thema unter vielen ausgesucht haben, mit dem sie sich Gehör verschaffen können. Für viele der Teilnehmer sind diese Demonstrationen der einzige Moment in ihrem ansonsten tristen Alltag, an dem sie ernst genommen werden. Von der Polizei, von den Medien, von den Gegendemonstranten.

Das Verhalten dieser Menschen ist traurig und empörend. Die Menschen, die sich in wieder steigender Zahl in Dresden montags versammeln, sind die Verlierer der Nation. Es lohnt sich gar nicht, mit diesen Leuten über das Thema „Flüchtlinge“ oder „Islam“ zu diskutieren – denn das sind nur die Trägerthemen einer „Bewegung“ von Menschen, die, vermutlich zu Recht, ihr eigenes trauriges Schicksal beklagen, den Umstand, dass man ihnen vor 25 Jahren „blühende Landschaften“ versprochen hatte und sie dann mit „Hartz IV“ alleine gelassen hatte. Doch der Umstand, dass ein paar Volksverhetzer dieses Protestpotential rund um ein Thema wie „Ausländerhass“ versammelt hat, zwingt dazu, scharf zu reagieren.

Natürlich hätte ein Lutz Bachmann Schwierigkeiten gehabt, mehr als 35 Menschen dazu zu bewegen, gegen, sagen wir mal, die Kirchensteuer zu protestieren. Ausländerhass ist im Wilden Osten seit 1989 ein gut laufendes Thema, in den Teilen Deutschlands, in denen der große Bruder in Moskau die Menschen jahrelang mit dem Thema der „internationalen Solidarität“ konfrontierte, wo man aber auf diese internationale Solidarität gar nicht erpicht war. Das zeigte sich deutlich 1989 in Rostock-Lichtenhagen, als ein durchdrehender Mob nur im letzten Moment daran gehindert werden konnte, ein von Vietnamesen bewohntes Wohnheim abzufackeln. Unvergessen sind die Bilder von damals, vor allem von diesem verstörten Mann, der in vor Freude vollgepinkelter Trainingshose dastand und tapfer den Hitlergruß zeigte. Wäre es nicht so ernst, könnte man sogar darüber lachen.

„Pegida“ ist nicht gegen Ausländer, „Pegida“ ist praktisch gegen alles. Gegen lügende Politiker. Gegen die Lügenpresse. Gegen Hartz IV. Natürlich auch gegen Ausländer. Gegen die Fußballclubs, die das Pech haben, bei Dynamo Dresden antreten zu müssen. Gegen die Polizei. Gegen das Kapital. Gegen Linke und anderes Gesocks. Gegen Menschen, die trotz Verbot den Rasen betreten. Es ist des Deutschen hässlicher Teil der Seele, der sich in Dresden offenbart.

Dazu sind die „Pegidas“ in Dresden das, was die Punks in den frühen 70er Jahren in Berlin waren. Sie wollen provozieren, damit man sie wahrnimmt, nicht weiter ihre Existenz negiert, sich mit ihnen beschäftigt. Nur – die Punks in Berlin stießen sich damals selbst Sicherheitsnadeln durch die Backe, während die Randalierer in Dresden nicht auf sich selbst, sondern auf alles losgehen, was sie zu „hassen“ glauben, dabei hassen sie in allererster Linie sich selbst und ihr tristes Dasein, in das die „Montagsdemonstrationen“ wenigstens ein wenig Abwechslung bringen.

Doch wo hört die noch so abstruse Meinungsäußerung auf, wo fängt die Volksverhetzung und strafbare Verunglimpfung an? Dass die „Pegida“ in Deutschland nur einen winzigen Bruchteil von gescheiterten Lebensläufen repräsentiert, wurde in den letzten Wochen mehr als deutlich, als Zehntausende Menschen tatkräftig ihre Solidarität mit Menschen in Not zeigten. Doch genau diese wunderbare Gegenbewegung der Zivilgesellschaft ist es, was die Menschen in Dresden wieder auf die Straße treibt. Es ist ihnen egal, dass Dresden, ihre Stadt, mittlerweile touristisch so attraktiv ist wie Kabul im Frühherbst. Im Grunde könnten sie auch durch Dresden ziehen und dabei Plakate hochhalten wie „Schaut her, ich existiere“ oder „Sehr ihr mich?“.

Doch angesichts der gewalttätigen Straftaten, die wieder aus der „Pegida“ heraus begangen werden, ist es nun an der Zeit, diese Demonstrationen zu stoppen. Demonstrationen müssen angemeldet und genehmigt werden und es ist an der Zeit, diese Genehmigungen zu verweigern. Wenn Journalisten von diesen unglücklichen Menschen angegriffen werden, dann ist die rote Linie überschritten. Und damit ist der Moment gekommen, die „Pegida“ nicht weiter als Phänomen zu bestaunen und deren irrationale Islamophobie ergründen zu wollen, sondern sie schlicht und ergreifend zu verbieten.

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