Peinlicher Applaus

Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyi in Kanada applaudierte das Parlament in Ottawa einem vermeintlichen ukrainischen Kriegshelden – der in der SS-Division „Galizien“ kämpfte.

Heinrich Himmler hielt viel von der SS-Division "Galizien" und besuchte sie an der Front. Foto: Unknown photographer / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Stehende Ovationen im kanadischen Parlament für einen zu Tränen gerührten Jaroslav Gunka, dem mit seinen 98 Jahren wohl zum ersten Mal eine solche Ehrung zuteil wurde. Anläßlich des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyi in Ottawa wurde diese Ehrung einem „Veteranen“ der Waffen-SS-Division „Galizien“ zuteil, dessen Einheit im Februar 1944 laut dem polnischen Institut für Gedächtnisarbeit im polnischen Dorf Huta Pieniacka 1000 Einwohner massakriert hatte. Die Heldenverehrung alter Nazis in der Ukraine und inzwischen auch anderswo sollte Gegenstand einer Diskussion sein, denn wenn Selenskyi behauptet, in der Ukraine würden „europäische Werte“ verteidigt, dann sollte man darüber diskutieren, ob die Verehrung ukrainischer Nazi-Kollaborateure tatsächlich unter diese „europäischen Werte“ fällt.

Für Jaroslav Gunka war dieser Moment sicherlich ein besonderer. Vom kanadischen Parlamentspräsidenten Anthony Rota als „ukrainischer Held“ und sogar als „kanadischer Held“ bezeichnet zu werden und eine Danksagung für seinen „Dienst“ zu erhalten, damit dürfte der Mann wohl kaum noch gerechnet haben.

Die berüchtigte SS-Division „Galizien“, die 14. von 38 SS-Divisionen, wurde nach ihrer Ausbildung in Deutschland gegen polnische Partisanen eingesetzt und in den letzten beiden Monaten des Kriegs gegen die vorrückende Rote Armee. Dabei, so erklären Historiker, kämpfte diese Division besonders brutal, da sie das Schlimmste befürchten musste, falls sie der russischen Armee in die Hände fallen würde.

Das Massaker an 1000 Bewohnern des polnischen Dorf Huta Pieniacka Mitte Februar 1944 ist historisch verbürgt und dass heute ein Mitglied dieser Mördertruppe als „Held“ gefeiert wird, ist ein Skandal, ebenso wie die Heldenverehrung des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera, der den Tod mehrerer Tausend ukrainischer Juden zu verantworten hatte und der heute noch mit einer 7 Meter hohen Statue im westukrainischen Lviv geehrt wird.

Angesichts des rasanten Anstiegs rechtsextremer und teilweise neofaschistischer Parteien in Europa muss man sich immer mehr Sorgen machen, wenn heute, 80 Jahre nach Kriegsende, brutale SS-Einheiten und berüchtigte Nazi-Kollaborateure faktisch rehabilitiert werden, weil sie einst gegen Russen kämpften.

Dass sich die Ukraine nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine versucht zu wehren, ist völlig nachvollziehbar und die humanitäre Hilfe für das Land ist eine Selbstverständlichkeit. Doch sollte der Westen aufhören, die „Werte“ der Ukraine kritiklos zu übernehmen, denn das ukrainische Geschichtsverständnis, das ja auch die Gegenwart prägt, ist mehr als fragwürdig. Bei den übereilten Diskussionen um die Aufnahme der Ukraine in westliche Bündnisse muss dieses Geschichtsverständnis und die heute noch aktuelle Verehrung von Nazi-Kollaborateuren thematisiert werden, denn die notwendige Unterstützung der Ukraine darf nicht in blindes Schlucken von den Dingen führen, die man in der Ukraine kritisieren muss.

Zwar entschuldigte sich der kanadische Parlamentspräsident Anthony Rota nach diesem peinlichen Zwischenfall und trat dann aufgrund des ihm doch heftig entgegenschlagenden Drucks zurück, doch kommen wir langsam an den Punkt, an dem wir alles, was aus der Ukraine kommt, kritiklos bejubeln. Und nein, Kritik an der Ukraine ist nicht gleichbedeutend mit einer wie auch immer gearteten Unterstützung des russischen Angriffskriegs oder gar Wladimir Putins. Man kann sehr wohl Putin und seinen Angriffskrieg verdammen, ohne gleich das gestörte Verhältnis der Ukraine zu ihren „Nazi-Helden“ gutzuheißen.

Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt, dass demnächst auch Hitler wieder gefeiert wird, weil er Russland überfiel…

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