Pleiten, Pech und Pannen…

Ob das neue Atomkraftwerk im normannischen Flamanville wohl je in Betrieb geht? Bei dem neuen AKW ist bisher schief gegangen, was schief gehen kann. Und es geht munter weiter...

Flamanville 3. Sollte der EPR-Meiler eines Tages aus Versehen doch ans Netz gehen, sollte man möglichst weit weg sein... Foto: schoella/ Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Ja, das wird ein Jahrhundertbauwerk, der EPR-Atomreaktor in Flamanville, vom französischen Staatsmonopolisten EdF stolz als das „Atomkraftwerk der nächsten Generation“ bezeichnet. Doch angesichts der nicht enden wollenden Pannenserie in Flamanville stellt man sich die Frage, ob ein AKW der letzten Generation dann nicht doch etwas sicherer gewesen wäre. Denn sollte Flamanville doch irgendwann ans Netz gehen, kann man den Bewohnern der Normandie eigentlich nur raten, möglichst weit weg zu ziehen. Denn im Umkreis von Flamanville könnte es gefährlich werden.

Eigentlich ging in Flamanville von Anfang an alles schief. So wurde das Herzstück der Anlage, das Kühlbecken für die nuklearen Brennelemente, mit Materialien gebaut, deren Spezifikationen besagen, dass sie die beim Abkühlen entstehende Hitze von bis zu 2500 Grad nicht vertragen. Da aber dieses Kühlbecken das zentrale Element der Anlage ist, kann man es nicht einfach ausbauen – dazu müsste man die ganze schon errichtete Anlage zurückbauen, ein neues Kühlbecken hinstellen und eine neue Anlage darum herum bauen. Zu langwierig, zu teuer? Das fanden die Franzosen auch und änderten kurzerhand die Spezifikationen des Baumaterials, das nun wenigstens auf dem Papier die Hitze verträgt, die in diesem Kühlbecken entstehen wird. Das erinnert ein wenig an das pragmatische Vorgehen des Gerichts in Nancy, das zur Erteilung einer Betriebsverlängerung für Fessenheim kurzerhand entschied, dass der Oberrhein kein Erdbebengebiet sei und dass Überschwemmungen in Fessenheim nicht vorkommen können. Wenn man bedenkt, dass die Stadt Basel bereits von einem Erdbeben im frühen Mittelalter komplett zerstört wurde und das AKW Fessenheim 11 Meter unter dem Rheinspiegel hinterm Deich liegt, dann kann man nur bewundernd feststellen, dass wenn es um Atomkraft geht, französische Gerichte selbst Naturgesetze außer Kraft setzen können.

Und was funktioniert jetzt in Flamanville nicht? Die Schweißnähte in der Anlage sind so stümperhaft ausgeführt, dass selbst die französische Atombehörde ASN diese nicht abnehmen wollte. Die Schweißnähte der riesigen Rohrsysteme, durch die das radioaktive Wasser laufen wird und die deshalb schon besser dicht wären (Durchmesser bis zu 75 cm, Rohrwände bis zu 4 cm dick), müssen also neu gemacht werden. Das wird wieder Zeit kosten und da kann man nur von Glück reden, dass man sich wenigstens nicht mehr um das Kühlbecken kümmern muss. Das wird erst dann wieder zum Thema werden, wenn Flamanville ans Netz geht und es zu einer Kernschmelze kommt. Diejenigen, die dann noch übrig sind, werden sich dann vielleicht erinnern, warum es zu Problemen mit dem Kühlbecken kam. Oder sie erinnern sich nicht daran. Einen großen Unterschied wird es dann auch nicht mehr machen.

Erstaunlich, wie konsequent Frankreich an seinem staatlichen Nuklear-Credo festhält. Während man in anderen Ländern bereits verzweifelt an der Frage der Endlagerung der radioaktiven Abfälle kämpft, wird die Frage der Atomkraft in Frankreich immer noch ideologisch und nicht etwa wissenschaftlich behandelt. Und wenn man bedenkt, dass es in Deutschland alleine schon unmöglich ist, ein sicheres Endlager für eine Lagerdauer von rund 25.000 Jahren zu entwickeln, um den Atommüll der ersten neun abgeschalteten AKWs sicher wegzupacken, dann kann man sich vorstellen, was auf Frankreich zukommen wird, wenn es darum gehen wird, 57 AKWs abzuschalten und deren Atommüll zu managen.

Es ist genau diese Art Politik, die heute die Menschen auf die Straße treibt. Flamanville ist eines dieser vielen Projekte, bei denen große Risiken für die Bevölkerung eingegangen werden, um die Gier nach hohen Renditen zu befriedigen. Doch in den samtigen Chefetagen, in denen solche Entscheidungen getroffen werden, sitzt niemand, der selbst in der Nähe eines AKW wohnen würde oder der selbst die Konsequenzen dieser Politik zu erdulden hätte.

Pleiten, Pech und Pannen, das ist die einzig richtige Bezeichnung für dieses „AKW der neuen Generation“. Doch bevor Frankreich von seiner Atomgläubigkeit abrücken wird, muss wohl erst eines dieser Dinger hochgehen. Eine vielversprechende Wette wäre es, auf einen Super-GAU in Flamanville zu wetten. Aber nur, falls dieses Pannen-AKW je ans Netz geht. Und das wird immer fraglicher.

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