Reise ins Herz Frankreichs (4) – Troglos, Champignons & Co.

Wie die Menschen in Frankreich das Maximum aus den jeweiligen Gegebenheiten machen - und dabei mehr als erfinderisch sind…

Rochemenier im Anjou - hier haben die Menschen Jahrhunderte lang wie im Auenland gelebt. Foto: Eurojournalist(e)

(3. September 2015, Redaktion) – Weiter geht’s an der Loire, auf der Suche nach der französischen Seele, die so anders ist als das deutsche Wesen. Wenige Kilometer nach der wunderschönen Stadt Saumur, wo es sensationelle Weine gibt, erreicht man den „Saut aux Loups“, den Wolfssprung. Ein Höhlensystem, das seit prähistorischen Urzeiten den Menschen als Wohnort diente, denn hier herrschen selbst im Winter erträgliche Temperaturen und vor allem war man hier sicher vor Wölfen. Wir sind im Land der „Troglodyten“.

„Troglodyten“, von den Einheimischen liebevoll „Troglos“ genannt, sind Höhlenwohnungen. An diesem Abschnitt der Loire, westlich von Samur, sind sie besonders zahlreich, allerdings gibt es auch weiter östlich an der Loire bereits solche Höhlen. Der weiche Kalkstein eignet sich großartig zum Graben dieser Höhlen und die vielen Fossilienfunde im „Saut aux Loups“ zeigen, dass früher einmal das Meer dieses Land bedeckte. Dann ging das Wasser zurück und der Mensch kam, quasi der Urfranzose. Der Faustkeile und ähnliche Werkzeuge hinterließ. Und die Technik des Höhlengrabens. Zahllose Häuser entlang der Loire sind hier so genannte „Semi-Troglodyten“, bei denen ein Teil des Hauses außen gebaut ist und ein anderer, zumeist größerer Teil innen. Ganz modern designte Häuserfronten haben hinten große Höhlen als Wohnraum – man fühlt sich wie im Auenland.

Doch im „Saut aux Loups“ wohnt niemand. Denn hier baut man Pilze an. Bei konstant 21 Grad und einer ebenso konstanten Luftfeuchtigkeit wachsen und gedeihen hier Champignons de Paris, Shi-Take und andere Sorten. Nicht etwa für Touristen, sondern „industriell“. Das Verfahren ist ebenso einfach wie genial. Auf gepressten Pferdedung-Quadern werden zuvor angezüchtete Pilzkulturen inkubiert, die dann in dieser idealen Umgebung heranreifen. Tausende dieser Quader sind in den verschiedenen Höhlen des weitläufigen Systems aufgestellt und die Pilze wachsen, reifen und werden dann von Hand geerntet. Überflüssig zu sagen, dass es sich um die besten Pilze der Welt handelt. Hergestellt wie in der guten, alten Zeit – eine rote Linie zieht sich von der Vorgeschichte bis zur heutigen Zeit.

Wie einfallsreich die Menschen hier sind, zeigt sich ein paar Kilometer weiter im Dorf Rochemenier im Anjou. Das hat sich nämlich gleich unter der Erde eingebuddelt. 250 Bauernhöfe wurden hier unterirdisch angelegt, die bis ins 20. Jahrhundert betrieben und bewohnt wurden. Heute leben die Menschen hier zwar wieder oberirdisch, doch hat fast jedes Haus in diesem Dorf immer noch unterirdische Räume, Vorratskammern und andere versteckte Geheimnisse. Das unterirdische Bauen bot gleich mehrere Vorteile: Man konnte hier das Vieh sicher vor Dieben und Wölfen unterbringen und im Winter herrschte in diesen „Troglodyten“ eine Temperatur von durchschnittlich 13 Grad. Von den Vorfahren lernen, heißt das Motto. Doch den Hauptgrund für diese seltsame Art, unter der Erde zu leben, verrät uns der Direktor des kleinen Ecomusées im Dorf: „Es war einfach billiger, Höhlen zu graben statt Häuser zu bauen. Man konnte ohne jedes Problem weitere Räume hinzufügen, was bei einem aus Stein gebauten Haus viel schwieriger und teurer war.“ Der französische Pragmatismus hat etwas Entwaffnendes.

Auf der morgigen Etappe erreichen wir die Mündung der Loire. Und stellen bereits jetzt fest, dass Frankreich über eine ganz andere Art der Geschichte verfügt, eine Geschichte, die bis zum heutigen Tag die Franzosen untereinander verbindet, so, wie die Loire gleich eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Regionen verbindet, in denen der rote Faden Frankreich heißt.

So wachsen die besten Champignons  - in Höhlen, bei 21 Grad. Foto: Eurojounalist(e)

So wachsen die besten Champignons – in Höhlen, bei 21 Grad. Foto: Eurojounalist(e)

 

In Rochemenier hat heute noch fast jedes Haus ein paar unterirdische Räume. Ganz schön praktisch. Foto: Eurojournalist(e)

In Rochemenier hat heute noch fast jedes Haus ein paar unterirdische Räume. Ganz schön praktisch. Foto: Eurojournalist(e)

 

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