Reise ins Herz Frankreichs (6) – Zwei schlafende Riesen in Saint Nazaire

Im Atlantikhafen Saint Nazaire liegen die beiden Hubschrauberträger, die Frankreich im letzten Moment nicht an Russland auslieferte. Und kosten einen Haufen Geld.

Noch steht "Sebastopol" in kyrillischen Zeichen auf dem Schiff, das in Saint Nazaire auf seine weitere Bestimmung wartet. Foto: Eurojournalist(e)

(KL, 7.9.2015) – Am 5. August unterzeichneten Frankreich und Russland ein Papier, nach dem Frankreich Moskau 949,7 Millionen Euro zurückzahlen muss. Zum einen besteht dieser Betrag aus 893 Millionen Euro, die Russland als Anzahlung für die beiden Hubschrauberträger „Sebastopol“ und „Wladiwostok“ gezahlt hatte, die auf der großen Werft von Saint Nazaire gebaut wurden, zum anderen aus 56,7 Millionen Euro, die Russland für die Ausbildung von 400 Marinesoldaten und besonderes Equipment ausgegeben hatte. Denn die beiden Schiffe werden nie an Russland geliefert werden – nachdem Putin die Krim annektiert hatte, weigerte sich die französische Regierung, die beiden Kriegsschiffe an Russland auszuliefern.

Diese Weigerung Frankreichs war mutig und hat Russland sehr geärgert, denn die beiden hochmodernen Hubschrauberträger waren für das Schwarzmeer gedacht, wo Russland weiterhin Ansprüche auf zahlreiche Gebiete, „abtrünnige“ Republiken und die Ukraine erhebt. Wobei diese beiden Schiffe, die jeweils 32 Kampfhubschrauber transportieren können und als Spitzenleistung modernster Ingenieurskunst gelten, blitzschnelle Angriffe und flexible Überfälle ermöglicht hätten.

Für Frankreich bedeutet die Weigerung, diese beiden Schiffe auszuliefern, einen herben finanziellen Verlust und das gleich auf mehreren Ebenen. Denn natürlich entfällt nun der vereinbarte Kaufpreis, die Schiffe müssen für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag für einen neuen Käufer umgebaut werden, jeder Liegetag in Saint Nazaire kostet viel Geld und dieses fehlende Geld reißt als allererstes ein riesiges Loch in die Wirtschaft der ohnehin schwierigen Lage der Werften in Saint Nazaire. Und für den viertgrößten Waffenexporteur der Welt Frankreich ist diese Weigerung auch so etwas wie ein Imageverlust als zuverlässiger Lieferant, der ebenso wie Deutschland gerne beide Augen bei seinen Waffenexporten zudrückt, mit dem Argument der Arbeitsplätze.

Auch das ist Frankreich. Das ist dieser Stolz einer alten Nation, die sich nicht von wirtschaftlichen Erfordernissen ihr Handeln aufzwingen lässt. Daran sollte auch ein Sigmar Gabriel denken, wenn er das nächste Mal Exporte von Panzern und Raketen in die arabische Welt genehmigt, die nur wenige Wochen später in den Händen des IS auftauchen. Man kann auch einmal „Nein“ sagen. Und man sollte auch ruhig einmal „Nein“ sagen, statt den Konflikten auf der Welt das Werkzeug bereitzustellen, um genau diese Konflikte hinterher lautstark zu bedauern und zu verurteilen.

Da liegen sie nun, die beiden Schiffe. Immer noch tragen sie die ihnen zugedachten Namen in kyrillischer Schrift, immer noch weiß man nicht so genau, was mit ihnen passieren wird. Der Markt für Hubschrauberträger ist ziemlich klein auf dieser Welt. Eine zivile Nutzung dieser Schiffe ist eigentlich nicht vorgesehen. Was nun? Ach ja, brauchen SIE vielleicht einen Hubschrauberträger?

Morgen lesen Sie in der Serie „Reise ins Herz Frankreichs“, wie die Franzosen seit Jahrhunderten dem Meer das Salz des Lebens abringen. Was uns aus der Moderne der Hochtechnologie Frankreichs gleich wieder ins Mittelalter zurückbringt.

Auch die "Wladiwostok" liegt am Kai von Saint Nazaire. Doppelt hält besser. Foto: Eurojournalist(e)

Auch die “Wladiwostok” liegt am Kai von Saint Nazaire. Doppelt hält besser. Foto: Eurojournalist(e)

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