Rheinoper Straßburg: Verbote gehören verboten!

Das „Liebesverbot“ von Richard Wagner wird ab Sonntag in der Rheinoper Straßburg und später in Mulhouse zum ersten Mal in Frankreich aufgeführt – und damit wird im Land der „Nuit debout“ gezeigt, wie man ungeliebten Verboten und Gesetzen erfolgreich trotzen kann.

Ausgerechnet eine Nonne kämpft gegen Richard Wagners "Liebesverbot"... Foto: Opéra National du Rhin / Rheinoper Strasbourg

(Von Michael Magercord) – Verbote müssen sich am Machbaren orientieren, sonst werden sie entweder ignoriert oder stacheln gar zur vermehrten Ausübung des Verbotenen an. Kann man das Verbot des Kreuzens von roten Fußgänger- und Fahrradampeln wenigstens ab und zu noch durchsetzen, lassen sich Regungen der menschlichen Natur kaum durch Gesetze unterbinden. Das musste auch Friedrich, Statthalter von Palermo, erfahren, als er ein allgemeines Liebesverbot erließ. Ausgerechnet zum Karneval! Das musste ja schiefgehen und endete schließlich in einer Revolution: einer Liebesrevolution.

Zugegeben, so ist das nicht passiert. Also nicht in echt jedenfalls, aber immerhin auf der Bühne. Lernen kann jeder Moralin gesteuerte Machthaber daraus: Wer die Ausübung der Liebe unterbinden will, der muss sich überzeugenderer Mittel bedienen, als der üblichen gesetzgebenden Verfahren. Religion, Kultur, Tradition würden die Überzeugungen heißen, die diese Kraft vielleicht gerade noch hätten – also etwas, was in unseren modernen Zeiten auch schon mal „politische Korrektheit“ genannt wird, und womit man aber dann ja auch wieder in Konflikt geraten kann.

Somit tritt ein allgemeines Liebesverbot erst einmal nur auf der Bühne in Kraft. Und dort kann es dann sogar soweit kommen, dass eine Nonne die entsprechende Gegenrevolution anführt. Also nicht wirklich anführt, aber immerhin hebelt sie durch ihr Liebesopfer das Verbot letztlich aus. Ausgerechnet eine Nonne – unverschämt! Wer hat es gewagt, einer doch so keuschen Gottesdame die Rolle als Sexgöttin zu verpassen? Shakespeare zunächst, und auf der Opernbühne war’s dann Wagner, der es wagte. Richard Wagner, dieser 1848er Revoluzzer. Und er tat es aus Liebe zu seiner neuen Flamme, der attraktiven Sängerin Minna Planer, die er mit dem emanzipatorischen Stoff beeindrucken wollte.

Jung war Wagner damals, schrieb er mit dem „Liebesverbot“ doch erst seine zweite Oper, und ungestüm war er noch, und ja, sogar auch irgendwie lustig. Denn diese Oper ist eine komische Oper. Es blieb Wagners einzige. Ungestüm, das blieb er wohl, aber seine Umgestümtheit drückte sich hernach im Gegenteil aus: im Ernst und Tiefsinn. Ob das daran lag, dass dem „Liebesverbot“ Zeit seines Lebens kein Erfolg beschieden war? Schon die zweite Aufführung nämlich wurde abgesagt, nur drei Zuschauer hatten sich im Magdeburger Theaterhaus eingefunden. Als Jugendsünde sah der Komponist in reifen Jahren dieses Werk, und im Gegensatz zu seinem Altersgenossen Verdi fand Wagner auch im Alter die heitere Seite der irdischen Existenz nicht wieder, ganz so, als wäre nun hingegen die Altersheiterkeit verboten.

Ist sie aber nicht, und somit haben wir nun die Freude einen heiteren Wagner erleben zu können, dargeboten von der Rheinoper in Straßburg, die damit das „Liebesverbot“ erstmals nach Frankreich bringt, auf dass schließlich das aufgebrachte Bühnenvolk verkünden wird: Verbrennt zu Asche die Gesetze! – wenn das mal nichts für junge Leute ist, die derzeit unweit der Oper auf dem Platz der Republique demonstrativ campieren.

Regie beim aller ersten französischen „Liebesverbot“ führt Mariame Clément, die ihre Ausbildung unter anderem in Berlin und Straßburg erhielt, und in den Hauptrollen finden sich mit Marion Ammann und Robert Bork zwei Wagner erfahrene Sänger, was darauf hoffen lassen darf, dass auch ein fröhlicher Wagner immer noch nach Wagner klingen wird.

„Das Liebesverbot“ – Oper von Richard Wagner

Strasbourg – Opéra du Rhin
So. 8. Mai, 15 Uhr
Fr. 13. Mai, 20 Uhr
Di. 17. Mai, 20 Uhr
Do. 19. Mai, 20 Uhr
So. 22. Mai, 15 Uhr

Mulhouse – La Filature
Fr. 3. Juni, 20 Uhr
So. 5. Juni, 15 Uhr

Vortrag von Mathieu Schneider (in französischer Sprache)
Strasbourg – Librairie Kléber, Salle Blanche
Sa. 7. Mai, 17 Uhr

Information und Tickets unter www.operanationaldurhin.eu.

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