Spanien und Portugal bestrafen?!

Das institutionelle Europa macht genau so weiter wie zuvor – und will nun Spanien und Portugal für die Nichteinhaltung der Haushaltsziele bestrafen. Und dann wundert man sich, dass Europa nicht geliebt wird…

Für oder gegen wen arbeitet eigentlich die Europäische Kommission? Für die Völker Europas augenscheinlich nicht... Foto: Matthias v. d. Elbe / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Was ist Europa? Eine Gemeinschaft von Staaten, die gemeinsame Werte teilen, die gemeinsam Politik machen, damit alle 500 Millionen Europäerinnen und Europäer in Frieden, Sicherheit und geteiltem Wohlstand leben können? Oder ist Europa lediglich ein Erfüllungsgehilfe für Finanzmärkte, Banken und multinationale Konzerne, die im „Luxemburger Modell“ in den europäischen Ländern keine Steuern zahlen? Hören die Verantwortlichen in Europa eigentlich den Ruf der Menschen in Europa, die angesichts der aktuellen europäischen Sinnkrise nach einer neuen Ausrichtung Europas verlangen? Doch bevor man sich ernsthaft Gedanken um ein „neues Europa“ macht, heißt es nun zuerst: Wir strafen Portugal und Spanien ab.

Die Antwort des institutionellen Europas ist von einer schier unglaublichen Kälte. Und man spürt den Hauch des Atems von Wolfgang Schäuble, von Jeroen Dijsselbloem und all den anderen, denen „europäische Werte“ offenbar völlig egal sind – Hauptsache, die Kasse stimmt. Und damit auch alles seine Ordnung hat, wird nun ein Verfahren gegen Portugal und Spanien eingereicht, weil beide Länder ihre Haushaltsziele verfehlt haben. Und nun sollen beide Länder dafür bestraft werden. Das „strafende Europa“?! Das darf doch wohl nicht wahr sein!

Das „Verbrechen“ Spaniens und Portugals? 2015 hat das Defizit des spanischen Haushalts 5 % des BIP betragen, in Portugal betrug das Defizit 4,4 %. Spanien hätte sich ein Defizit von 4,2 % leisten dürfen, Portugal von 3 %. Aber was bedeutet das? Nichts anderes, als dass beide Länder, gebeutelt von einer hohen Arbeitslosigkeit, hart getroffen von der Finanzkrise, die von Finanzmanagern auf der ganzen Welt ausgelöst wurde, benachteiligt von fehlenden Steuereinnahmen der Großkonzerne, die dank der Hilfe Luxemburgs „ganz legal“ keine Steuern in diesen (und anderen) Ländern zahlen, in echten Schwierigkeiten stecken. Hilft es da, diese Länder auch noch zu bestrafen?

Ein solches „Strafverfahren“, wie es die Europäische Kommission nun einleitet, ist bislang in der Geschichte der Europäischen Union einzigartig und das Verfahren sieht tatsächlich empfindliche Geldstrafen vor – zwischen 0,0 und 0,2% des BIP der betroffenen Länder, wie Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici angab. 0,0 % wären angebracht, 0,2 % des BIP wäre ein satter Betrag, der beiden Ländern richtig wehtäte. Das „strafende Europa“?!

Und als ob das nicht ausreichen würde, laufen beide Länder auch noch Gefahr, als zusätzliche Strafe für ein Jahr vom Europäischen Strukturfonds ausgeschlossen zu werden, einem Fonds, der wichtige Infrastrukturprojekte ermöglicht und daher besonders für Länder wichtig ist, die daran arbeiten, ihre Wettbewerbsfähigkeit aufzupeppen und sich aus der Krise herauszuarbeiten. Ohne diese Gelder wird es dann natürlich noch schwieriger, Haushaltsziele zu erreichen und den nächsten Haushalt zu stemmen. Begreifen die Verfechter der deutschen Sparpolitik eigentlich nicht, dass man Wirtschaftskraft nicht dadurch stimuliert, dass man den Ländern, die es am dringendsten nötig haben, auch noch das Wasser abstellt?

Europa schafft gerade eine Situation, in der es Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, oberlehrerhaft noch zusätzliche Probleme bereitet. Wo ist die europäische Solidarität geblieben? Wo ist der Geist der Gründerväter Europas geblieben? Wieso ist die einzige Antwort Europas auf die Schwierigkeiten seiner Mitglieder – Härte? Bereits in Griechenland hat die EU bleibende Schäden mit ihrer Austerität verursacht, jetzt auch in Portugal und Spanien?

Die Diskussionen in Europa scheint die Führungsriege nicht mehr mitzubekommen. Die Bürgerinnen und Bürger Europas diskutieren gerade unter dem Eindruck des „Brexit“ die Grundwerte, nach denen Europa funktionieren sollte und mitten hinein in diese Phase kommen so seltsame europäische Entscheidungen wie Glyphosat (Monsanto), CETA und TTIP und nun die Haushaltsschraube. Als ob man in Brüssel nicht hören wollte, was die Menschen in Europa wollen.

2019 ist zwar noch weit weg, aber gleichzeitig ist 2019 auch sehr nah. Und 2019 muss das Jahr werden, in dem wir das Führungspersonal Europas auswechseln. Diejenigen, die jetzt auch noch Länder wie Spanien und Portugal abstrafen wollen, können nicht diejenigen sein, die Europa in eine bessere Richtung lenken. Denn offenbar haben sie immer noch nicht verstanden, was gerade in Europa passiert.

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