Tintin im Land der Zedernbäume

Bei seinem zweiten Besuch im krisengeschüttelten Beirut trat Emmanuel Macron auf, als sei er der neue Herrscher über den Libanon. Das, was er in Frankreich nicht schafft, möchte er gerne anderen beibringen.

Jetzt aber hurtig, auf in den Libanon! Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Und der Wahlkampf im Libanon geht weiter. Klar, zwischen dem Libanon, immerhin ein früheres Protektorat Frankreichs und Frankreich selbst hat immer schon eine besondere Beziehung bestanden und viele Libanesen haben sich über diesen Besuch gefreut. Ihnen ist es egal, ob Macron in Beirut seinen Wahlkampf führt oder nicht, sie freuen sich darüber, dass die internationale Gemeinschaft helfen wird und dabei auch gleich die unbeliebte Regierung stürzt. Doch das, was Macron in Beirut abliefert, nennt man anderswo „Einmischung in innere Angelegenheiten“.

„Ich komme wieder“, versprach der französische Präsident, was in einigen Ohren nach einer Drohung klang. Denn Macron hat sehr genaue Vorstellungen, wie der Libanon künftig zu regieren sei und sollte seinen Vorstellungen nicht entsprochen werden, dann wird er den Geldhahn geschlossen halten. Das Ultimatum „entweder ihr organisiert euer Land nach meinen Wünschen, oder es gibt kein Geld für den Wiederaufbau“ ist schon ein starkes Stück.

Es ist auffallend, wie schnell der französische Präsident mit guten Ratschlägen im Ausland unterwegs ist. Er weiß, wie die Länder dieser Welt zu managen sind, dabei schafft er es noch nicht einmal, den Prunk-Boulevard Champs-Elysees vor einer Handvoll Randalierer zu schützen, nicht einmal unter dem Einsatz von international geächteten Hartgummigeschossen, deren Einsatz er in anderen Ländern lauthals kritisiert.

Für die beiden Schlüsseldaten des Frühherbstes in Paris, die Großdemonstration am 12. September und den angekündigten Streik der Gewerkschaft CGT ab dem 17. September, gibt es außer massiven Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten keinen Plan. Seit Beginn der Sozialkrisen in Frankreich im November 2018 hat seine Regierung völlig den Bezug zur Realität in der Bevölkerung verloren. Genau das hat Frankreich seinem Präsidenten bei der OB- und Kommunalwahl mitgeteilt, als in den Städten fast alle seine Kandidaten und Kandidatinnen durchfielen. Verstanden hat man in Paris diese Mitteilung leider nicht.

Auch die zahlreichen Lügen in der Coronakrise qualifizieren Macron nicht unbedingt als souveränen Staatenlenker. Vor 4 Monaten war es Apothekern bei Strafandrohung von 6 Monaten Gefängnis verboten, Gesichtsmasken an Privatpersonen zu verkaufen und sein Gesundheitsminister erklärte, dass es „keinerlei Sinn“ machen würde, eine solche Maske zu tragen. Heute sind diese Masken in vielen französischen Städten sogar im Freien obligatorisch – und die zahlreichen Falschinformationen der Regierung in dieser Krise werden noch von Gerichten aufgearbeitet werden.

Bei so viel Ärger daheim versteht man natürlich, dass es mehr Spaß macht, sich als Weltenretter aufzuspielen, doch wird das nicht lange gut gehen. Daheim wartet ein heißer Herbst auf Macron und der Präsident, der weiß, wie andere Länder zu führen sind, hat keine Ahnung, wie er Frankreich im Konsens managen soll.

Dieser Herbst wird in Frankreich ziemlich ungemütlich werden. Fast wie im Libanon.

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