Von der Armut

Wir können entweder weiter so tun, als sei alles in Ordnung, oder aber wir kümmern uns um die Verelendung der Gesellschaften, bevor diese im militanten Extremismus enden.

Wer hier angekommen ist, kämpft nur noch ums Überleben. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Die Verelendung unserer Städte ist nicht mehr zu übersehen, so sehr man sich auch Mühe gibt, das Elend in die Randbereiche der Städte zu vertreiben. Zu einem Zeitpunkt, an dem laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mehr als 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Bürgerkriegen, Naturkatastrophen und Hungersnöten sind, wirken sich die weltweiten Krisen auch massiv auf diejenigen Länder aus, in denen diese Krisen gar nicht stattfinden. Doch die Verelendung, der die Welt ausgesetzt ist, fordert Antworten – idealerweise bevor die Situation vollständig umkippt und die Suche nach mehr Gerechtigkeit gewalttätig wird.

Doch die Hauptsorge der politisch Verantwortlichen ist nicht etwa, wie man diese Verelendung stoppen kann, sondern nur, wie man sie so unsichtbar wie möglich macht. Denn Armut und Elend wollen weder Touristen noch Einheimische sehen, weswegen man sie auf dem Blickfeld derjenigen verbannt, denen es noch etwas besser geht.

Zeltsiedlungen wie auf dem Artikelbild sieht man inzwischen an vielen Stellen in den Randbezirken der Städte oder entlang von Autobahnen. In jedem dieser Zelte spielt sich ein menschliches Drama ab. Familien mit kleinen Kindern, alleinstehende Mütter und alte Menschen, die den jeweiligen Tragödien in ihren Heimatländern entronnen sind, um sich jetzt in ebenso unwürdigen Situationen wiederzufinden.

Doch wer sich heute in Sicherheit wiegt und freut, dass die Weltkrisen bisher an einem weitgehend vorübergegangen sind, sollte sich nicht zu früh freuen. Denn die ungerechte Verteilung der Reichtümer dieser Welt wird sich eines Tages gegen die Nutznießer des Kapitalismus wenden, dessen Grundprinzip lautet, dass die breite Masse für den Luxus einiger weniger aufzukommen hat. Eines Tages wird sich die breite Masse gegen diejenigen auflehnen, die mehrere Jahrhunderte lang die Arbeitskraft der Menschen dafür genutzt haben, unanständig viel Geld anzuhäufen.

Einige der Superreichen haben verstanden, dass sie auf dünnem Eis unterwegs sind und schlagen selbst vor, große Vermögen ganz anders zu besteuern. Andere verteilen lieber Almosen, um sich ein gutes Image zu verschaffen, doch all das ist Stückwerk und wird den Absturz unserer Gesellschaften nicht verhindern.

Alle Weltreligionen kennen die Verpflichtung, den Ärmsten und Schwächsten beizustehen. Doch das ist nur die Theorie. Nehmen wir als Beispiel das Bistum Köln, das noch nicht einmal das größte und reichste Bistum in Deutschland ist. Das Bistum Köln ist stolzer Besitzer von über 40.000 Wohnungen, die professionell gemanagt und vermietet werden. Doch während sich dieses Bistum eine goldene Nase verdient, vermeidet es, Menschen in Not ein Dach über dem Kopf zu spendieren. Das sollen andere machen. Die das Bistum auch intensiv auffordert, doch an die Nächstenliebe zu denken und mehr zu teilen. Sauber nach dem Sankt-Florians-Prinzip – Helfen ist gut, so lange es die anderen tun.

Doch diese Verelendung, und dafür gibt es genug Beispiele in der Geschichte der Menschheit, wird eben eines Tages umkippen und dann werden sich die Reichen und Mächtigen wieder wundern, dass sich die Menschen so verhalten, als hätten sie nichts mehr zu verlieren. Doch das trifft auf eine steigende Anzahl Menschen zu. Und in der Tat, wer nichts mehr zu verlieren hat, der wird sich auch so verhalten wie jemand, der nichts mehr zu verlieren hat.

Wer morgen noch so etwas wie sozialen Frieden möchte, muss heute für mehr Gerechtigkeit sorgen, der muss die Abwärtsspirale der Verelendung stoppen, die ansonsten nicht mehr kontrollierbar sein wird.

Wer mit seiner Familie in einem Zelt wie auf dem Artikelbild leben muss, der wird sich nicht mehr mit politischen Kommunikationen zufrieden geben, denn wer hier angekommen ist, kämpft nur noch ums Überleben. Mit allen Mitteln.

Nur ein gesamtgesellschaftliches Aufbegehren kann diese Entwicklung noch stoppen. Es werden nicht „die anderen“ sein, die diese Entwicklung aufhalten. Mehr Gerechtigkeit in unseren Gesellschaften fordert uns alle, jeden einzelnen von uns und je schneller wir das begreifen, desto höher die Chancen, den Tsunami der Verelendung noch aufhalten zu können.

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