Wahlkampf auf dem Rücken Europas?

Ende nächster Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Spaniens zu einem „Minigipfel“ in Versailles. Angeblich, um ein „differenziertes Europa“ auf den Weg zu bringen.

Ein "europäischer Neustart" im Spiegelsaal von Versailles ? Vermutlich nicht... Foto: Myrabella / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wenn das mal nicht nach Wahlkampf riecht… da hatten François Hollande und Angela Merkel geschlagene 5 Jahre Zeit, aus der „Baustelle Europa“ ein neues europäisches Projekt zu machen und Gelegenheiten dazu hätte es reichlich gegeben – Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise, Brexit, doch niemand reagierte. Jetzt, im Wahlkampf in Frankreich und Deutschland und wenige Wochen und Monate vor Ablauf ihrer jeweiligen Mandate, erinnern sich Hollande und Merkel wieder daran, dass sie „noch mal schnell Europa retten“ wollen – wissend, dass sie in der laufenden Legislaturperiode nichts Konkretes mehr machen werden. Seltsam, dass sich plötzlich diese vier Länder daran machen, das „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ vorzubereiten, wobei sich alle Mühe geben, diesen Begriff zu vermeiden. Aber was soll dieser „Minigipfel“ in Versailles anderes werden als eine Wahlkampfshow?

Dass Europa nicht gut funktioniert, das muss man niemandem mehr erläutern. Doch was beabsichtigen Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien? Die Übernahme der Kontrolle für ein „Kerneuropa“, dem es wirtschaftlich gut geht (naja…) und das Ausklammern all derjenigen Länder, denen es weniger gut geht? Ist das nicht genau die „Germanisierung“ Europas, vor der sich in Europa alle fürchten (bis auf Deutschland)? Was soll das für eine Solidargemeinschaft sein, die diejenigen an den Rand stellt, die am dringendsten Hilfe brauchen?

Natürlich ist der „Minigipfel“ von Versailles ein Signal an all diejenigen Länder, denen die Grundwerte Europas herzlich egal sind und offenbar ist dieses Signal bereits angekommen, denn die polnische Regierung hat sich bereits lautstark beschwert, nicht nach Versailles eingeladen worden zu sein. Die Nachricht ist klar: „Wer nicht mitmacht, der bleibt eben draußen“. Nur – das ist keine europäische Reform, mit der sich irgendetwas für die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer ändern würde, sondern es wäre der Kniefall der vier größten europäischen Länder vor den internationalen Finanzmärkten. Die Kapitulation vor dem großen Kapital und den Investmentbanken dieser Welt. Also nichts, was den „europäischen Traum“ befördern würde.

Das neue Zauberwort heißt „differenziertes Europa“. Nicht mehr „Europa der zwei Geschwindigkeiten“. Das klingt ja auch viel schöner, denn zu differenzieren ist ja erst einmal etwas Positives. Nur – die Aufspaltung Europas in die „reichen“ und die „armen“ Staaten, wobei nur die „reichen“ Staaten alle Vorteile der Europäischen Union nutzen könnten, ist ein Ansatz, der Europa endgültig spalten würde. Nur gut, dass die vier Länder, die in Versailles diskutieren werden, gar nicht die ernsthafte Absicht haben, Europa zu reformieren. Hätten sie diese Absicht gehabt, hätten sie in den letzten fünf Jahren damit angefangen und nicht die Phase ihrer jeweiligen Wahlkämpfe abgewartet.

Man kann es drehen und wenden wie man will – das wahre Problem Europas ist einerseits seine intergouvernementale Organisationsform mit dem völlig überholten und die EU lähmenden Prinzip der Einstimmigkeit und andererseits, das handelnde Personal. Es wird sich in Europa nichts zum Besseren wenden, so lange die gleichen Politiker am Ruder sind, die den europäischen Karren gemeinsam in den Sumpf geschoben haben. Es liegt einzig und alleine an uns, diesen Politikern die rote Karte zu zeigen und endlich für diejenigen zu stimmen, die ein starkes, solidarisches und soziales Europa wollen. Die Handlanger der Kapitalmärkte sind nicht diejenigen, die Europa auf einen besseren Weg bringen werden. Folglich muss der erste Schritt sein, genau diese Leute abzuwählen, um den Weg für europäische Reformen freizumachen. Die Show in Versailles könnte man sich eigentlich schenken.

1 Kommentar zu Wahlkampf auf dem Rücken Europas?

  1. Damit die EU nicht an der Flüchtlingskrise zerbricht und die Reisefreiheit im Schengenraum weiterlebt, gibt es nur einen Ausweg: eine gemeinsame europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise. Mit einem wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen. Mit einer gerechteren Verteilung von Flüchtlingen und der Option, dass die unwilligen Länder sich anfangs freikaufen können. Und mit mehr europäischem Engagement in Syrien und an anderen Krisenorten.

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